Fußballzwerg Tahiti will mit Männern aus Stahl punkten
Papeete (dpa) - Tahiti unter Fußballgiganten: Die Insel vertritt Ozeanien nach dem Sensationssieg in der Ausscheidung beim Confed Cup in Brasilien. Team „Toa Aito“ will der Welt Ballzauber aus der Südsee zeigen.
Es waren einmal drei Brüder, Jonathan, Lorenzo und Alvin Tehau, die wuchsen sehr bescheiden in Faa'a, einem Vorort der Tahiti-Hauptstadt Papeete auf. Kampfsport - Taekwondo - war ihr Traum, doch war der Fußballplatz näher. So gingen die drei eben kicken. Und das nicht nur mit wachsender Begeisterung, sondern mit Riesentalent: So beginnt das Märchen, das die Nationalmannschaft des französischen Überseegebietes 2013 beim Fed Cup in Brasilien fortschreiben will. Dort kicken die „Männer aus Stahl“, wie der Team-Name „Toa Aito“ übersetzt heißt, erstmals unter den Besten der Welt.
Die Tehaus sind das Rückgrat der Nationalmannschaft: neben Jonathan (24) und den Zwillingen Lorenzo und Alvin (23) spielt auch Cousin Teaonui (20) mit. In der Qualifikation schossen die vier am 1. Juni beim 10:1 gegen Samoa zusammen neun Tore. „In der Nationalmannschaft bilden wir eine Einheit“, sagt Torjäger Alvin im Interview mit FIFA.com. „Die familiäre Blockbildung hilft der ganzen Mannschaft.“ Nur bei den Vorbildern scheiden sich die Geister: Alvin ist Messi-Fan, Verteidiger Jonathan verehrt Zidane, Mittelfeldspieler Lorenzo Iniesta - und der Spaßvogel Teaonui seinen Physiotherapeuten.
Der Sieg der Tahitianer bei der Meisterschaft des ozeanischen FIFA-Kontinentalverbandes im Juni war eine Sensation. Seit 1973 gab es am anderen Ende der Welt nur zwei Gewinner: Australien oder Neuseeland. Nun ist Australien zwar 2006 in den Asienverband gewechselt, aber trotzdem: die Südseekicker aus Tahiti legten ein perfektes Turnier hin, schlugen den haushohen Favoriten Neuseeland und sicherten sich damit das Ticket nach Brasilien. „Die pazifische Revolution“ jubelte die FIFA auf ihrer Webseite. Tahiti steht in der Weltrangliste auf Platz 139, noch hinter Turkmenistan und Ruanda.
Allerdings ist der Blick der Fußballfans noch nicht so richtig nach Brasilien gerichtet. „Fußballbegeisterung in Tahiti? Sie meinen sicher Beachsoccer“, sagt der langjährige Sportjournalist Patrick Pons. Das Weltturnier der Kicker auf Sand findet nächstes Jahr in der Inselhauptstadt Papeete statt und die Tahitianer planen ein Riesenfest. „Der Confed Cup ist den Leuten noch kein Begriff“, räumt die Sprecherin des tahitischen Fußballverbandes FTF, Nahema Temarii ein. Sie will noch kräftig die Werbetrommel rühren.
Jahrelang waren Bootsrennen der Nationalsport, mit Pirogen, einer Art Kanu. „Darin sind Tahitianer exzellent“, sagt Pons. Kein Wunder, das Meer ist allgegenwärtig: Tahiti ist etwas größer als Rügen und liegt mitten im Pazifik, 4100 Kilometer nordöstlich von Auckland in Neuseeland. Es gehört zu den 118 Inseln Französisch-Polynesiens, die über ein Areal so groß wie Westeuropa verteilt sind.
„Fußball ist heute Sport Nummer eins hier“, sagt Temarii. 15 000 aktive Spieler gibt es unter den 270 000 Einwohnern. „Jeder Spieler in den Jugendmannschaften träumt von einer Karriere als Fußballprofi.“ Nur ganz wenige haben das bislang geschafft. Wie Kapitän Nicolas Vallar, der beim französischen Zweitligisten Sète spielte. Legendär ist Pascal Vahirua, der in den 80er und 90er Jahren sogar 22 Mal in der französischen Nationalmannschaft stand.
Zu Hause wird nur für die Ehre gekickt, Geld gibt es nicht. Jonathan Tehau liefert tagsüber Waren an Supermärkte aus, seine Brüder sind arbeitslos. Der Torwart der Nationalmannschaft ist Sportlehrer, ein anderer Spieler Reiseleiter. „Trainiert wird abends, wie bei allen Amateuren“, sagt Pons. „Wenn sie in Brasilien sind, bekommen die Spieler eine Entschädigung für den Verdienstausfall, etwa in Höhe des Mindestlohns“, sagt Temarii.
Die Tehaus wollen vor den Augen der Talentspotter in Brasilien ihr Bestes geben. Die drei Brüder werden auf dem Transfermarkt zusammen auf 300 000 Euro geschätzt - ein Schnäppchen gegen Lionel Messi (25), der in den einschlägigen Listen mit 120 Millionen Euro geführt wird.