Heftiger Streit um Bestrafung von Betrug in Türkei
Istanbul (dpa) - Es brodelt in der Türkei. Mit einem von vielen Fans und Experten als fragwürdig empfundenen Kompromiss im Manipulationsskandal hat der türkische Fußballverband (TFF) Öl ins Feuer gegossen.
Während sich noch mehr als 90 Verdächtige in dem größten Sportskandal der letzten Jahre vor einem ordentlichen Gericht verantworten müssen, hat der Verband die Weichen für milde Strafen gestellt.
Seit Februar stehen in Istanbul Manager, Spieler und Trainer vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, in der vergangenen Saison in der Süper Lig 19 Spiele mit hohen Geldbeträgen verschoben zu haben. Zudem müssen sie sich wegen Gründung einer „bewaffneten Bande“ verantworten, die das Ziel gehabt haben soll, Fußballspiele zu manipulieren. Unter den verschobenen Spielen soll auch das wichtige Match von Fenerbahce Istanbul gegen Sivasspor sein, in dem Fenerbahce am letzten Spieltag den Titel holte.
Sollte es in der vergangenen Saison Betrugsversuche gegeben haben, hätten sich diese nicht auf das Ergebnis der Spiele ausgewirkt, stellte der TFF-Präsident Yildirim Demirören zu Beginn der Woche nach einer Untersuchung fest. Zugleich entschärfte der Verband den Artikel 58 seiner Disziplinarordnung, der bisher auch für Betrugsversuche ausdrücklich den Zwangsabstieg vorsah. Nun soll es dafür nur noch Punktabzüge oder Geldstrafen geben. Der TFF will 16 Vereine vor das Disziplinarkomitee des Verbands zitieren - mit noch ungewissem Ausgang.
Fenerbahce, das im Zentrum des Skandals steht, forderte gleich eine Freilassung seines seit Monaten in Untersuchungshaft sitzenden Vorsitzenden Aziz Yildirim. Fenerbahce-Vizepräsident Nihat Özdemir bestritt erneut einen Betrug. Allerdings hat das Gericht in Istanbul, vor dem sich die Beschuldigten nach den Gesetzen des Staates verantworten müssen, eine Freilassung erst vor einigen Wochen abgelehnt, weil es erhebliche Verdachtsmomente gebe.
Noch in dieser Woche will TFF-Präsident Demirören, dessen Land sich auch um die Fußball-EM 2020 bewirbt, der UEFA seinen umstrittenen Plan zur Beilegung der türkischen Fußballkrise erläutern, berichten türkische Medien. Mehrere Top-Vereine des Landes und auch die Europäische Fußball-Union (UEFA) wollen demnach den TFF-Bericht im Original sehen. Empört ist vor allem Galatasaray Istanbul. Der Verein muss sich nicht gegen Betrugsvorwürfe wehren und steht derzeit in der Süper Lig führend vor Fenerbahce auf dem ersten Platz. Tausende Galatasaray-Fans demonstrierten in Istanbul gegen den TFF-Plan und den Lokalrivalen Fenerbahce.
„Die UEFA wird Versuche zurückwiesen, den Skandal ohne Strafen unter den Teppich zu kehren“, sagte der Galatasaray-Vorsitzende Ünal Aysal. Vor dem möglicherweise entscheidenden Spiel der beiden Mannschaften in der kommenden Woche heizt sich die Stimmung auf. Fenerbahce, nach den alten Regeln noch vom Zwangsabstieg bedroht, hofft nun sogar auf einen Triumph. „Hoffentlich wird Fenerbahce den Titel holen“, sagt Vizechef Özdemir.