Katar-Maßnahmen beschäftigt EU
Brüssel (dpa) - Wenn am Donnerstag die Situation der ausländischen Gastarbeiter auf den Baustellen zur umstrittenen Fußball-WM 2022 in Katar auf die Tagesordnung des Menschenrechtsausschusses beim Europäischen Parlament rückt, gehen die Meinungen weit auseinander.
Fast schon erwartungsgemäß lobende Worte sind aus der FIFA-Zentrale in Zürich zu hören. Die FIFA sei erfreut über das Bestreben der Organisatoren „einheitliche und angemessene Arbeitsnormen in Katar voranzutreiben“, teilte der Weltverband am Mittwoch mit.
Der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC schlägt indes andere Töne an. Der 50-seitige Bericht über die ergriffenen Maßnahmen sei ein Muster ohne Wert. „Es ist keine einzige Änderung an den katarischen Gesetzen, die den Beschäftigten ihre grundlegenden Rechte verweigern, vorgenommen oder vorgeschlagen worden. Ein Mitspracherecht oder eine Vertretung bei der Arbeit ist für Wanderarbeitskräfte in Katar nicht vorgesehen“, monierte ITUC-Generalsekretärin Sharan Burrow.
Hauptkritikpunkt ist die Tatsache, dass das umstrittene Kafala-System im Emirat weiterhin nicht angerührt wird. Bei dieser Regelung legt der Staat die Verantwortung für ausländische Leiharbeiter in die Hände der Firmen, die sie beschäftigen. Unter anderem müssen die Arbeiter ihre Pässe abgeben und dürfen das Land ohne Einwilligung ihres Arbeitgebers nicht wieder verlassen. Welche Folgen das haben kann, wird der französische Fußballprofi Zahir Belounis bei der EU-Anhörung sicher darlegen. Belounis war zwei Jahre in Katar festgehalten worden, nachdem er seinen Verein auf Zahlung seines Gehalts verklagt hatte.
Es dürfte kontrovers diskutiert werden in Brüssel, wenngleich sich die Bosse der beiden größten Fußball-Verbände raushalten. Weder FIFA-Chef Joseph Blatter noch UEFA-Präsident Michel Platini sind in der belgischen Hauptstadt vor Ort. Blatters diplomatischen Dienst übernimmt der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger. Platini, der bei der WM-Vergabe selbst für Katar gestimmt hatte und sich diesbezüglich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sah, teilte knapp mit, dass er „nicht verfügbar“ sei, was die Ausschuss-Vorsitzende Barbara Lochbihler „beschämend“ findet.
In wieweit die Anhörung in Brüssel zur Verbesserung der Situation in Katar beitragen könnte, bleibt dahingestellt. Dass es weiterhin Missstände gibt, hat nicht zuletzt der Bericht des „Guardian“ offenbart. Demnach seien in den vergangenen zwei Jahren bei Arbeiten in Katar 382 Nepalesen ums Leben gekommen.
Glaubt man dem Obersten Rat für Organisation und Nachhaltigkeit in Katar, habe es inzwischen deutliche Verbesserungen gegeben. Dabei seien Regelungen für Arbeitsverträge und die Bezahlung, für die medizinische Versorgung und die Lebensbedingungen sowie für die Hygiene und Bettenzahl in den Unterkünften getroffen worden. Auch sei in den vergangenen sechs Monaten die Zahl der ausgebildeten Inspektoren um 30 Prozent erhöht worden. In den vergangenen drei Monaten habe es 11 500 Prüfungen gegeben.
Für die Arbeiter soll künftig die Einrichtung von Bankkonten zu den Standards gehören. Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ bemerkte indes, dass nur die Arbeiter auf den WM-Baustellen von diesen Maßnahmen profitieren und damit nur ein kleiner Teil der Arbeitnehmer von der Charta abgedeckt werde.
Liga-Präsident Reinhard Rauball sieht unterdessen nicht nur den Fußball in der alleinigen Verantwortung. „Die Einhaltung der Menschenrechte ist etwas, das in erster Linie durch Regierungen hergestellt werden muss. Ich erwarte auch von der Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel eine klare Positionierung“, forderte Rauball in der „Sport-Bild“.