Kevin-Prince Boateng: Der Aufstieg eines Buhmanns
Mailand (dpa) - Vor einem Jahr war Kevin-Prince Boateng ganz unten: Mit dem FC Portsmouth war er abgestiegen, bei der 0:1-Niederlage im englischen FA-Cup gegen den FC Chelsea hatte er einen Elfmeter verschossen und auch noch Michael Ballack mit einem üblen Tritt schwer verletzt.
Sein für manche wie absichtlich aussehendes Foul am DFB-Kapitän kostete Ballack die WM-Teilnahme und machte den gebürtigen Berliner in Deutschland zum meist gehassten Kicker des Planeten. Keine 12 Monate später ist der 24-Jährige ganz oben: Nach einer grandiosen WM mit Ghana in Südafrika hat der von meisten Bundesligisten verschmähte „Bad Boy“ aus Berlin mit Milan einen Top-Club gefunden. Der einstige Ergänzungsspieler hat sich im Mailänder Star-Ensemble etabliert und steht mit Milan unmittelbar vor dem Gewinn des Meistertitels. Mit etwas Glück könnte es für den Mittelfeldspieler in seinem ersten Jahr in Italien sogar zum Double reichen.
Und Glück hat Boateng seit Monaten. Schon bei der WM ging der Stern des Bruders von Jerome Boateng auf. Weil er beim DFB keine Perspektive sah, spielt er für Ghanas Nationalelf. Dort fiel Michael Essien im zentralen Mittelfeld aus, Boateng sprang ein und brillierte. Auch dank seiner Top-Leistungen feierte Ghana mit dem Einzug ins Viertelfinale den größten Erfolg seiner Verbandsgeschichte. In der Vorrunde verlor er zwar gegen die DFB-Elf mit seinem Bruder Jerome 0:1, für ihn persönlich aber war es ein Triumph: „Jogi Löw sagte zu mir: Du warst heute der stärkste Mann auf dem Platz“, verriet Boateng der „Bild am Sonntag“.
Auch in Italien blieb ihm das Glück hold. Offiziell wurde Boateng zwar vom CFC Genua für vier Jahre eingekauft, aber sofort an den Spitzenclub Milan ausgeliehen. Und dort war nach der Verletzung von Regisseur Andrea Pirlo und weiteren Leistungsträgern im Mittelfeld Not am Mann. Boateng sprang wieder ein und brillierte. Für Trainer Massimiliano Allegri ist Boateng längst zum Leistungsträger geworden. In 33 Einsätzen bereitete er zahlreiche Treffer vor und machte selbst drei Tore. „Boateng ist großartig und ehrt den afrikanischen Fußball“, meinte Ex-Milan Star George Weah und die Sportgazzetten in Italien bejubelen „Grande Boateng“.
Kein Wunder, dass sich Milan die Dienste des Ghanaers nun dauerhaft gesichert hat, der vor seinem Portsmouth-Jahr 2009 in der Rückrunde auch zehnmal für Borussia Dortmund gespielt hatte. Das Leihgeschäft mit Genua wandelt Milan in einen Kaufdeal um. „Er ist unser Spieler“, sagte Milans Vizepräsident Adriano Galliani und verriet, dass sich der Berlusconi-Club den Boateng-Transfer insgesamt 13 Millionen Euro kosten lässt. Tottenham Hotspur soll 2007 nur 7,9 Millionen Euro an Hertha BSC gezahlt haben.
Für die Ballack-Fans mag der Ex-Berliner immer noch ein rotes Tuch sein, die Tifosi mögen ihn. Vielleicht auch gerade wegen seines besonderen Images, mutmaßt der bis zum Hals tätowierte Boateng. Die Milanisti stünden vielleicht auf einfache Leute, die sich hochgekämpft haben. Auf dem Platz gehört Boateng zweifellos zu den Kämpfernaturen, die auch mal kräftig zulangen. Mit neun Verwarnungen in 33 Spielen bringt es Boateng fast auf Gennaro Gattusos Quote von 12 Verwarnungen in 36 Partien.
Dass er dem als „Wildschwein“ und „Rambo“ verschrienen Gattuso in Sachen Körpereinsatz um nichts nachsteht, machte Boateng bei Milan gleich zu Anfang klar. Da rasselte er mit Gattuso in einem Zweikampf Kopf an Kopf zusammen, weil keiner zurückzog. Das hat sogar einen Superstars wie den ebenfalls nicht zimperlichen Zlatan Ibrahimovic beeindruckt. Was werden die Milan-Stars erst sagen, wenn Boateng sein Versprechen wahr macht und zum Titelgewinn im Michael Jackson-Kostüm den „Moonwalk“ tanzt?