Kuranyi lässt Dynamo Moskau von Europacup träumen

Moskau (dpa) - 4:1 gegen Lokomotive Moskau, 5:0 im heimischen Pokal: Kevin Kuranyi und Dynamo Moskau eilen Richtung Europacup. Ein Jahr nach seinem spektakulären Wechsel nach Russland hat sich der Ex-Schalker längst im Gastgeberland der Fußball-WM 2018 akklimatisiert.

Kuranyi erlebt ein „Sommermärchen“ - und muss um seinen Bart fürchten: Fans wollen den Stürmer rasieren, sollte der Außenseiter-Club den Meistertitel holen. „Zur Feier müssen die Haare ab“, drohen Dynamo-Anhänger scherzhaft im Internet. „Keine gute Idee“, kommentiert Kuranyi, der aber die sportliche Situation im Verein „fantastisch“ findet.

Nach nur drei Niederlagen in bisher 16 Saisonspielen steht der Hauptstadt-Club überraschend auf Platz drei, der die Qualifikation für die Champions League bedeuten würde. Platz fünf würde immerhin die Europa League sichern. Trotz eines neuen Vereinsrekords denkt Kuranyi nicht an die Meisterschaft. „Ziel bleibt ein internationaler Startplatz“, sagt der 29-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Die Saison hatte im März katastrophal für Dynamo begonnen: Nach zwei Niederlagen in drei Spielen musste Coach Miodrag Bozovic gehen, und der Verein bemühte sich intensiv um Felix Magath. Doch dann schlug die vereinsinterne Notlösung Sergej Silkin ein - und soll bleiben. „Ich kam mit Bozovic gut zurecht, aber der Wechsel war wohl richtig“, sagt Kuranyi. „Silkin ist seit 1997 bei Dynamo, er kennt den Verein also gut.“ Die russische Premier Liga spielt die längste Saison ihrer Geschichte: Da der Spielbetrieb auf den westlichen Rhythmus umgestellt wird, steht der Meister erst im Frühjahr 2012 fest - nach 44 Spielen. „Brutal lang“, kommentiert Kuranyi.

Vier Tore, fünf Vorlagen: Die Formstärke des Ex-Nationalspielers hat bei Dynamo Hoffnungen auf die erste Europapokal-Teilnahme seit Jahren geweckt. Fans träumen sogar vom ersten Titel seit 1995 - und vom Comeback ihres Idols in der DFB-Elf. In einem Brief an Bundestrainer Joachim Löw forderten Dynamo-Anhänger Kuranyis Rückkehr, wie Moskauer Medien berichten. „Damit beschäftige ich mich aktuell nicht“, sagt der 52-fache Nationalspieler. Kuranyi hatte 2008 in der Halbzeit eines Länderspiels das Stadion in Dortmund eigenmächtig verlassen. Der Stürmer war verärgert, nicht einmal auf der Auswechselbank zu sitzen. Löw nominiert ihn seitdem nicht mehr.

Experten wunderten sich und Laien schüttelten den Kopf, als sie 2010 vom Wechsel des Ex-Nationalstürmers in die vermeintliche Fußball-Provinz Russland hörten. Doch längst steht Kuranyi dort nicht nur bei seinen Anhängern hoch im Kurs, sondern auch bei Dynamos mächtigem Funktionär Sergej Stepaschin. Der immer noch einflussreiche Ex-Regierungschef feilt am Zukunftskonzept „Dynamo 2020“ - mit einem „Entwicklungshelfer“ Kuranyi und einem modernen Dynamo-Stadion für die Fußball-WM 2018. „Ich träume von einem WM-Halbfinale Deutschland gegen Russland in unserer Arena“, schwärmt Stepaschin.

Mit Hilfe der Großbank VTB entsteht derzeit für mehr als eine Milliarde Euro das - so Stepaschin - „beste Stadion Europas“. Bis zur Eröffnung 2015 trägt Dynamo die Heimspiele im Vorort Chimki aus. Um Kuranyi herum will der elfmalige Sowjetmeister ein Spitzenteam formen. Von Galatasaray Istanbul kam der Ex-Wolfsburger Zvjezdan Misimovic, und auch nach den Bundesliga-Profis Caio und Papiss Demba Cissé streckte Dynamo die Fühler aus. Schon jetzt kämpft der Verein um einen Verbleib von Kuranyi, der 2010 einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieb und angeblich 5,7 Millionen Euro pro Saison verdient.

Ohne Europapokal sind Topspieler wie der Ex-Schalker kaum zu halten - die Teilnahme am internationalen Wettbewerb ist für den Club geradezu Pflicht. Auf dem Weg dorthin hat Kuranyi in Ex-Bundesligaprofi Andrej Woronin einen kongenialen Sturmpartner gefunden: Der Ukrainer erlebt seinen zweiten Frühling und wurde von Trainer Silkin zum Kapitän befördert. Dennoch schließt Kuranyi nach dem „Abenteuer Moskau“ eine Rückkehr in die Bundesliga nicht aus. Auch ein Comeback auf Schalke - wo er zwischen 2005 und 2010 spielte - ist möglich. Beim Abschiedsspiel von Marcelo Bordon war er bereits Gast in Gelsenkirchen. „Ich hatte eine schöne Zeit auf Schalke“, sagt Kuranyi. „Im Fußball ist alles möglich.“