Löw in WM-Sorge - EM-Quali gegen „Baby“ Gibraltar
Nizza (dpa) - Joachim Löw schlägt Alarm. Allerdings nicht wegen der in Nizza ausgelosten EM-Qualifikation gegen das europäische Fußball-Baby Gibraltar, Schottland, Polen, Irland und Georgien.
Der Bundestrainer sorgt sich kurz vor der Titelmission in Brasilien um die WM-Fitness vieler seiner Leistungsträger. An der Côte d'Azur erreichte ihn die nächste schlechte Nachricht: Auch Dortmunds Sven Bender ist nach seiner Schambeinverletzung mindestens zehn Wochen raus aus der WM-Vorbereitung.
„Sportlich gesehen bin ich echt nachdenklich. Drei Monate vor der WM haben wir acht, neun Spieler, die haben wenig Rhythmus, die sind lange verletzt gewesen, haben lange nicht gespielt. Ich bin mir nicht sicher, ob der eine oder andere zurückkommt vor der WM“, erklärte der Bundestrainer bei der Auslosung der EM-Ausscheidung 2016.
Mit den durchaus reizvollen Aufeinandertreffen, die am 7. September mit einem Heimspiel gegen Schottland starten und am 11. Oktober 2015 mit einem Heimspiel gegen Georgien ihren Abschluss finden, wollte sich Löw schon „drei Stunden“ nach der schmucklosen Auslosungs-Zeremonie im Palais des Congrès Acropolis von Nizza nicht mehr beschäftigen. Dafür sind seine WM-Probleme zu groß.
Die langen Pausen von Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger, Mats Hummels, Mario Gomez, Sami Khedira, Ilkay Güdogan, René Adler, Lukas Podolski und nun auch noch Sven Bender haben Löw „wahnsinnig“ nachdenklich gestimmt: „Einige sind zurück im Training, aber spielen nicht regelmäßig. Das macht mir schon ein bisschen Kopfzerbrechen. Weil ich weiß, bei der WM braucht man Spieler, die einen Superrhythmus haben, die physisch stark sind. Die WM wird uns alles abverlangen“, betonte der 54-Jährige.
Für die anschließende EM-Qualifikation in der Gruppe D, in der es am 14. November erstmals in der DFB-Historie zum ungleichen Duell mit Gibraltar kommt, trifft das weniger zu, was vor allem an der von Löw kritisierten Turnier-Aufstockung liegt. Reizvoll sind die meisten der zehn Ausscheidungsspiele für das DFB-Team und die deutschen Fans aber durchaus. „Diese Gruppe ist interessant. Sie ist auch schwierig. Ich weiß, was auf uns zukommt, aber natürlich sind wir Favorit und wollen die Gruppe gewinnen, wie immer“, erklärte der Bundestrainer.
„Das ist attraktiv, absolut“, kommentierte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach die Lose. Zwar blieb der Verbandschef bei der kritischen deutschen Linie zur Aufblähung der kontinentalen Meisterschaft, die ab 2019 mit 24 statt bisher 16 Teams ausgespielt wird. Doch von Verstimmungen mit seinem Freund und UEFA-Präsident Michel Platini wollte Niersbach nichts wissen: „Ich hatte es schon bei der Entscheidung gesagt, dass ich es nicht gut finde. Aber jetzt gilt es, dies zu akzeptieren. Und seinen scherzhaft gemeinten Vorschlag werden wir nicht annehmen: Klar spielen wir die EM.“
Platini als Boss der Europäischen Fußball-Union hatte die Kritik von Löw und Teammanager Oliver Bierhoff an der EM-Aufstockung zuvor süffisant gekontert. „Wenn das der Fall ist, dann sollen sie halt nicht spielen.“ Löw und Bierhoff empfinden das aufgeblähte Turnier und die damit verbundene leichte Qualifikation als sportlich „fragwürdig“ und „Verwässerung“. Selbst als Gruppendritter stehen die Qualifikationschancen noch gut. „Der sportliche Wert einzelner Spiele, aber auch des gesamten Wettbewerbs sinkt“, betonte Löw.
Die Lose versprechen zumindest unterhaltsame Fußball-Abende, die in den sogenannten Weeks of Football von der UEFA zentral vermarktet und in Deutschland von RTL übertragen werden. Speziell ist besonders das Aufeinandertreffen mit Gibraltar, erst seit vergangenem Jahr UEFA-Mitglied. Das Rückspiel gegen die Fußball-Nobodies ist für den 13. Juni 2015 angesetzt - exakt eine Woche nach dem Champions-League-Finale in Berlin. Das britische Überseegebiet an der Südspitze Spaniens hat kein eigenes Stadion und überhaupt erst ein Länderspiel ausgetragen. Das DFB-Team wird die Auswärts-Premiere gegen Gibraltar im portugiesischen Faro austragen. Die Orte für die Heimspiele will der DFB am 13. März festlegen.
Auf Georgien war Deutschland bereits in der Qualifikation für die EM 1996 getroffen, hat dabei zweimal gewonnen (2:0, 4:1). Gegen die Schotten hat es das letzte von 15 Länderspielen auf dem Weg zur EM 2004 gegeben. Das Team von Coach Gordon Strachan will nun zum dritten Mal nach 1992 und 1996 bei einer EM-Endrunde dabei sein. Gegen den Nachbarn Polen hat Deutschland noch nie ein Länderspiel verloren. Die Iren wurden in der Qualifikation für die WM in Brasilien mit 6:1 und 3:0 abgefertigt. An der zwölften EM-Endrundenteilnahme des Rekordsiegers Deutschland zweifelt niemand ernsthaft - kein Kontrahent schaffte die Teilnahme an der WM in Brasilien.
Bundestorwarttrainer Andreas Köpke hatte mit zwölf anderen ehemaligen europäischen Top-Keepern in der von Ruud Gullit und Bixente Lizarazu moderierten schlichten Show die Lose gezogen. Beim Endrunden-Turnier vom 10. Juni bis 10. Juli 2016 werden 24 von 54 Mannschaften Europas dabei sein. Der Modus mit sechs Vierergruppen in zehn Städten und 51 Spielen in 30 Tagen ist kompliziert.
Die jeweiligen Ersten und Zweiten der neun Qualifikationsrunden buchen ebenso wie der beste Dritte direkt das Frankreich-Ticket. Die weiteren Drittplatzierten spielen in Playoffs die restlichen vier Plätze aus. Kurioserweise wurde auch der EM-Gastgeber erstmals mit in eine Qualifikationsgruppe gelost, die Franzosen spielen allerdings außer Wertung gegen Dänemark, Portugal, Serbien, Armenien und Albanien - sind für das Turnier in zwei Jahren automatisch gesetzt.