Märchenhafter „Mini-Mou“ erobert Europa
Porto (dpa) - Von Null auf Hundert in Nullkommanichts - André Villas-Boas ist ein wahrer Himmelsstürmer. Daheim in Portugal benötigte der 33-Jährige nicht einmal zwei Jahre, um vom Nobody zum Topstar der Fußballszene zu avancieren.
Mit dem FC Porto schickt sich der junge Trainer nun, auch Fußball-Europa im Sturm zu erobern. Nächstes Ziel: der Triumph in der Europa League. Die Portugiesen feiern ihn schon als „neuen José Mourinho“, aber Villas-Boas weist alle Vergleiche mit seinem berühmten Landsmann und umstrittenen Ex-Lehrmeister energisch zurück: „Ich bin kein Klon, ich bin ganz anders!“, versichert er.
Doch Zweifel an diesen Beteuerungen sind angebracht. Wie Mourinho präsentiert sich auch „Mini-Mou“ fast immer polemisch, irgendwie arrogant und auch übermäßig aggressiv. Wie Mourinho hat Villas-Boas nie Profifußball gespielt. Wie Mourinho stellt auch der Porto-Coach seine Schützlinge taktisch nahezu perfekt ein. Und last but not least: Beide wurden wie kaum andere ihrer Zunft gleich zu Beginn ihrer Trainerkarrieren am Douro-Fluss von der Erfolgsmuse geküsst.
Im dritten Trainer-Jahr, dem zweiten in Porto, gewann Mourinho 2003 mit 40 Jahren gleich drei Titel: die Liga und den Pokal sowie den UEFA-Cup, ein Jahr später kam sogar der Champions League-Titel hinzu. Villas-Boas war sogar schneller: Nachdem er vergangene Saison bei seinem Cheftrainer-Debüt mit Abstiegskandidat Académica de Coimbra den elften Liga-Platz geschafft hatte, wurde der Sohn einer vornehmen Familie im vergangenen Sommer als 32-Jähriger prompt vom FC Porto verpflichtet. Seine Kicker gewannen auf Anhieb den Portugal- Supercup. Die Liga-Meisterschaft war dann Anfang April perfekt.
Zwei weitere Titel können in den nächsten Wochen noch dazukommen: Das Team um die Torjäger Hulk (Brasilien) und Radamel Falcao (Kolumbien) steht im Endspiel des portugiesischen Pokals und kämpft in der Europa League gegen Villarreal um den Einzug ins Finale. Die Bilanz der „Drachen“ ist bemerkenswert. Mit 25 Siegen und nur zwei Unentschieden steuern die Blau-Weißen auf den besten Punkteschnitt der Liga-Geschichte zu. In der Europa League gewann man 12 von 14 Spielen, darunter alle sieben Auswärtsduelle. „Die sind zu stark für die Europa League“, sagte kein Geringerer als Mourinho.
Längst umgarnen Europas Topclubs das „Wunderkind“, wie ihn das italienische Blatt „Gazzetta dello Sport“ rühmte. Zuletzt waren Vertreter von Juventus Turin da. Villas-Boas' Aufstieg erscheint längst märchenhaft. Alles begann, als der 16-jährige André dem Nachbarn Bobby Robson, damals Porto-Coach, einen Brief mit Taktik-Tipps schrieb. Der Engländer heuerte den Burschen als Praktikanten an. Dort lernte Villas-Boas den Hilfscoach Mourinho kennen.
Nach vielen Studienjahren in England und einer merkwürdigen Erfahrung als Auswahl-Trainer der britischen Jungferninseln („Ich war damals 21, die dachten, ich sei älter. Nach einem 0:9 gegen Bermudas wurde ich gefeuert“) lernte Villas-Boas dann unter „Mou“ bei Chelsea und Inter Mailand bis 2009 alle Tricks und Kniffe. Dennoch versichert er heute standhaft: „Ich bin Robson viel ähnlicher als Mourinho, habe ja englische Vorfahren und mag Wein.“