Marseillaise im Wembley - Schwerer Gang für Frankreich
London (dpa) - Es soll ein Symbol der Solidarität mit Frankreich werden: Aus 90 000 Kehlen soll vor dem Spiel der „Équipe tricolore“ im Londoner Wembleystadion die berühmte Marseillaise erklingen.
Ob englische Fans oder neutrale Zuschauer, ob französische Spieler oder die Mannschaft aus dem Mutterland.
Die Fußball-Welt soll vier Tage nach den schrecklichen Attentaten von Paris und Saint-Denis in London französisch sprechen. „Wembley öffnet seine Arme für ein Land in Trauer“, titelte die „Times“ am Montag. Kapitän Hugo Lloris rechnet bereits mit einem „sehr emotionalen Moment“.
Dass das Match nach dem Schock von Paris überhaupt stattfindet, bezeichnete Innenministerin Theresa May als Zeichen, dass „die Terroristen nicht gewinnen werden“. Es sei sehr wichtig, „dass wir unser normales Leben fortsetzen“, meinte Premierminister David Cameron. Auch Prinz William hat sich für die Partie, die vielmehr sein wird als das Aufeinandertreffen zweier Fußball-Nationen Europas, angemeldet.
„Dieses Spiel hat nicht nur eine sportliche Dimension, sondern noch viel mehr. Wir werden zeigen, dass wir stolz sind, Franzosen zu sein“, sagte der Coach der „Équipe tricolore“, Didier Deschamps, am Montag auf einer Pressekonferenz in London: „Wir sind hier, um unser Land zu repräsentieren, unsere Farben.“
Am Wochenende im Quartier in Clairefontaine habe die Mannschaft über die Medien die Folgen der Anschläge verfolgt, die mindestens 129 unschuldigen Menschen das Leben kosteten, berichtete Torwart Lloris. „Die vergangenen drei Tage waren dramatisch. Wir haben zusammen getrauert.“ Zumal auch noch ein Spieler sehr persönlich betroffen ist. Lassana Diarra betrauert den Tod einer Cousine bei den Anschlägen.
Innerhalb der Mannschaft sei eine Absage des Spiels diskutiert worden. Das sei aber von den Trainern und Offiziellen sehr gut geregelt worden. „Wir sind bereit zu spielen“, sagte Lloris.
Der Text der französischen Nationalhymne soll auf den Leinwänden im Stadion für alle zum Mitsingen eingeblendet werden. Die Spieler der englischen Mannschaft planen zudem eine gemeinsame Aktion für ihre Kollegen aus Frankreich. Nicht wenige aus dem Team des Gastgebers der EM im kommenden Jahr verdienen auf der Insel in der Premier League ihr Geld.
Unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wird das letzte Länderspiel der Franzosen und Engländer in diesem Jahr stattfinden. Die Fans sind bereits angehalten, früher als sonst zu kommen, weil die Kontrollen mehr Zeit in Anspruch nehmen könnten. Rund 1400 Anhänger aus Frankreich werden erwartet.
Zu was die Spieler auf dem Rasen fähig sind, wird sich zeigen. Die Spiele gegen Weltmeister Deutschland und England sollten eigentlich Standortbestimmungen für die Franzosen sein. Ungeschlagen ist die Mannschaft von Deschamps in der EM-Saison, und nicht nur das: Fünf Siege aus fünf Spielen lautet die Bilanz. Das Fehlen von Mittelstürmer Karim Benzema wegen dessen Verwicklung in eine Erpressungsaffäre und von Mathieu Valbuena, der wegen eines Sexvideos erpresst wurde, kompensierte Deschamps Team beim 2:0 gegen Deutschland.
Allen voran hatte sich Anthony Martial von Manchester United Bestnoten verdient und mit Mittelstürmer Olivier Girourd vom FC Arsenal erfolgreich harmoniert. Auch gegen England dürfte Deschamps dabei seinen Verjüngungskurs fortsetzen.
Binnen zwei Jahren hat der ehemalige Weltmeister das Durchschnittsalter von 27 Jahren und drei Monaten unter Laurant Blanc bei der EM 2012 auf 26 Jahre und 10 Monate bei der WM 2014 gesenkt. Mit den beiden 19-Jährigen Martial und Kingsley Coman vom FC Bayern verleiht er seiner Mannschaft weitere Frische.
Nur, dass auch das wie praktisch alles andere Sportliche gegen England zweitrangig sein dürfte. Das Spiel soll zum Zeichen der seelischen Unterstützung der schwer getroffenen Franzosen werden - auch vonseiten des französischen Teams selbst. „Ich habe es immer als Ehre empfunden, dieses Trikot zu tragen“, meinte Ex-Weltmeister Deschamps. „Die Verantwortung ist heute noch wichtiger.“