Neustart mit Allardyce: England will Trauma überwinden

Burton-upon-Trent (dpa) - Sam Allardyce wagt mit der englischen Nationalmannschaft den Kaltstart. Ohne vorher ein einziges Freundschaftsspiel bestritten zu haben, startet der neue Trainer der „Three Lions“ am Sonntag mit der WM-Qualifikation in der Slowakei.

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Er zog es vor, eine ruhige Woche zu haben, um sein Team darauf vorzubereiten. Allardyce weiß, dass England in Trnava gewinnen muss, damit wenigstens ein Hauch von Aufbruchstimmung im Land entstehen kann.

Bisher gibt es die nämlich nicht. Zu tief sitzt das Island-Trauma. Nach dem peinlichen Aus gegen den Underdog im Achtelfinale der Europameisterschaft wirkt es fast so, als hätten Fans und Medien mit jeglichen Erfolgshoffnungen abgeschlossen - trotz des Trainerwechsels. „Wir wissen heutzutage, dass ein England-Trainer nur den Untergang verwaltet“, schrieb die Zeitung „Guardian“ in dieser Woche zynisch.

Zwar sind nicht alle Medien so pessimistisch vor dem Allardyce-Debüt. Aber wer Euphorie und Aufbruchstimmung sucht, muss schon zum St. George's Park fahren, dem Trainingsgelände des Fußballverbands FA in den englischen Midlands. Gut zwei Monate nach dem EM-Desaster in Frankreich ist die Stimmung zumindest innerhalb der gescholtenen Mannschaft wieder positiv. Adam Lallana sprach am Donnerstag sogar von großem Enthusiasmus. Alle Spieler wollten „ihren neuen Boss beeindrucken“, sagte der Mittelfeldspieler des FC Liverpool.

Um auch Englands Fußballfans zu beeindrucken oder wenigstens Sympathien zurückzugewinnen, muss allerdings noch einiges passieren. Der Club-Fußball der Premier League ist längst beliebter als die Auftritte der „Three Lions“. Doch auch in der Liga läuft es für viele EM-Fahrer noch nicht. Verteidiger Chris Smalling zum Beispiel stand in dieser Saison noch keine Minute für Manchester United auf dem Platz. Harry Kane und Dele Alli suchen in Tottenham ihre Form.

Am schlimmsten traf es Joe Hart bei Manchester City. Der Nationaltorwart wurde vom neuen Trainer Pep Guardiola zur Nummer drei degradiert. Weil englische Clubs nicht interessiert waren, wechselte Hart auf Leihbasis nach Italien - zum eher mittelmäßigen FC Turin.

Allardyce hat sie trotzdem in sein Team berufen. Die Auswahl an herausragenden Spielern mit englischem Pass ist laut „Big Sam“ nicht gerade groß. Den Grund dafür glaubt er zu kennen. „Wir haben zu wenig englische Spieler in der Premier League“, sagte er am Montag auf einer Pressekonferenz. „Ich glaube, es sind nur 31 Prozent.“

Der Coach machte deshalb den umstrittenen Vorschlag, nach ausländischen Profis zu schauen und sie für die englische Nationalmannschaft zu gewinnen. „Im Cricket wird es so gemacht, im Rugby und in der Leichtathletik“, sagte Allardyce, dem klar ist, dass die Idee nicht jeden begeistert. „Wenn ich das tatsächlich mache, muss ich abwarten, wie das im Land ankommt. Aber wenn er trifft und das Siegtor erzielt, wäre das so schlecht?“

Bis jetzt sind das nur Gedankenspiele. Am Sonntag muss Allardyce den Spielern vertrauen, die schon einen englischen Pass besitzen. Bei der FA sind sie davon überzeugt, dass der 61-Jährige eine echte Mannschaft formen kann. „Seine Fähigkeit, das Beste aus den Spielern und dem Team rauszuholen und einen starken Teamgeist zu entfachen, sind herausragend“, sagte FA-Generaldirektor Martin Glenn bei Allardyces Verpflichtung. Genau darauf kommt es jetzt an.