Neymar-Coup: Triumph wird Barça-Boss zum Verhängnis
Barcelona (dpa) - Sein Glanzstück wurde ihm zum Verhängnis. Sandro Rosell holte den brasilianischen Jungstar Neymar zum FC Barcelona, obwohl andere Vereine viel mehr Geld für den Fußballer geboten hatten.
Nun stolperte der Clubchef des spanischen Meisters über einen Transfer, der der größte Triumph seiner Amtszeit als Barça-Präsident sein sollte. Der 49-jährige Unternehmer trat zurück, weil er nicht den Nachweis antreten konnte, dass Neymar den Verein wirklich 57 Millionen Euro gekostet hat, wie offiziell angegeben wurde, und nicht 95 Millionen, wie die Presse berichtete.
Rosells Rücktritt lässt viele Fragen offen. Welche Gelder sind bei dem Transfer wirklich geflossen? Schloss Barça Scheinverträge, um die tatsächlichen Kosten zu kaschieren? Rosell äußerte sich dazu nicht. Ein Madrider Richter ermittelt, ob es bei dem Wechsel Unregelmäßigkeiten gab.
Das Präsidentenamt bei Barça übernahm derweil der bisherige Vize Josep Maria Bartomeu (50), Geschäftsführer eines Unternehmens zur Herstellung von Laufstegen für Häfen und Flughäfen. Der Führungswechsel befreit den Club in der Neymar-Affäre jedoch nicht unbedingt aus der Klemme. Denn „Bartu“, wie der neue Clubchef genannt wird, könnte sich schon bald in der gleichen Lage befinden wie sein Vorgänger und Ärger mit der Justiz bekommen. Das Barça-Mitglied Jordi Cases, das das Verfahren vor der Justiz in Gang gebracht hatte, kündigte an, sein Klagegesuch auch auf andere Vereinsbosse auszuweiten, die die Verträge mit Neymar unterschrieben hatten.
Rosell räumte bei seinem Rücktritt keine Fehler ein, sondern sieht sich als das Opfer eines Komplotts. „Die Verpflichtung Neymars entfachte bei unseren Gegnern Neid und Verzweiflung“, sagte er. Aber wer sind die Gegner? Der Erzrivale Real Madrid kann damit kaum gemeint sein. „Wir haben damit nichts zu tun“, zitierte die Zeitung „La Vanguardia“ den Real-Präsidenten Florentino Pérez. Die Madrilenen leisteten sich mit der Verpflichtung von Gareth Bale einen eigenen Supertransfer. Sie nannten - anders als Barça im Fall Neymar - nicht einmal eine Ablösesumme. Inoffiziell war von 91 bis 100 Millionen Euro die Rede.
Der Fall Neymar und der Rücktritt Rosells machen vielmehr eine eklatante Schwäche im spanischen Profi-Fußball deutlich: Die Spitzenclubs jonglieren mit Millionensummen, aber die Zahlungen bleiben größtenteils geheim. „Die Blase des Fußballgeschäfts platzt“, meinte die Zeitung „El País“. „Es wird höchste Zeit, dass die Branche ihre Finanzen konsolidiert und für Transparenz sorgt.“
Im Fußball treten Vereinspräsidenten zurück, wenn ihre Mannschaften ständig verlieren und die Fans aufbegehren. In Barcelona war jedoch weder das eine noch das andere der Fall. Bei seiner Wahl zum Clubchef hatte Rosell 2010 die meisten Stimmen in der Vereinsgeschichte erhalten. Mit ihm gewannen die Katalanen in knapp vier Jahren einmal die Champions League, eine Club-WM, zwei spanische Meisterschaften und einen Landespokal. Zu seinen Erfolgen gehörte auch, dass er den Schuldenberg von 430 Millionen Euro drastisch abbaute.
Dennoch hatte Rosell im Verein nicht nur Freunde. Gleich nach seinem Amtsantritt nahm er Johan Cruyff das Amt des Ehrenpräsidenten weg, was der Niederländer ihm nie verzieh. Auch das Verhältnis zum Erfolgstrainer Pep Guardiola (jetzt Bayern München) galt als gespannt. Viele Mitglieder waren auch nicht einverstanden damit, dass Rosell das Emirat Katar und dessen Fluglinie Qatar Airways als Sponsor und Werbepartner akzeptierte.