Nur einer fürs Kleinflugzeug? Menezes unter Druck

Stuttgart (dpa) - Vor dem Klassiker gegen Deutschland steht Brasiliens Nationaltrainer Mano Menezes gewaltig unter Druck. Sein Team scheiterte zuletzt bei der Copa America und hat schon lange keinen „großen“ Gegner mehr besiegt.

Dabei setzt der Coach auf die Stars, die die Fans fordern.

Nationaltrainer von Brasilien zu sein, ist der schönste und härteste Job im Fußball zugleich. Niemand sonst kann sich aus einer so großen Auswahl an Klassespielern bedienen. Aber von niemandem sonst wird auch so viel erwartet. Mano Menezes trainiert den Rekordweltmeister nun seit einem Jahr, und vor dem Klassiker am Mittwoch gegen Deutschland ist die Last dieses Amtes wohl wieder einmal größer als die Lust darauf.

Menezes steht nach dem peinlichen Aus bei der Copa America unter gewaltigem Erfolgsdruck. „Du bist der Pilot eines Kleinflugzeuges, aber die Seleção ist eine Boeing“, schleuderte ihm der bekannte Fernseh-Kommentator Milton Neves an den Kopf.

Menezes fehlen zurzeit die Argumente gegen solche Tiraden. Bei der Südamerika-Meisterschaft versemmelte sein radikal verjüngtes Starensemble beim Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Paraguay jeden einzelnen Versuch. Und auch in den Monaten davor reichte es nur zu Siegen gegen Gegner der Kategorie USA und Ukraine. Das weckt Zweifel am Erfolg seiner eigentlichen, von einer ganzen Nation geradezu hysterisch begleiteten Mission: dem Gewinn des WM-Titels 2014 im eigenen Land. Alles andere „wäre Vaterlandsverrat“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ einmal.

Der 49-Jährige selbst nimmt das alles noch sehr gelassen hin. „Ich bin mir der Lage und des Drucks bewusst. Aber damit muss jeder Trainer umgehen“, sagte er in Stuttgart. „Ich freue mich auf das Spiel morgen, denn da treffen zwei technisch starke Mannschaften aufeinander. Das wird ein wunderbarer Test.“

Eine Beruhigungstherapie für die erfolgsverwöhnten Fans wäre vielleicht der passendere Ausdruck gewesen. Denn Brasilien wartet seit Menezes' Amtsantritt auf einen Sieg gegen einen „großen“ Gegner. Gegen Argentinien (0:1), Frankreich (0:1) und die Niederlande (0:0) blieb die „Seleção“ jeweils sieg- und torlos, was doch stark am Selbstverständnis der erfolgreichsten Fußball-Nation rüttelt. Was sind dagegen schon Siege gegen die USA, Ukraine oder den Iran.

Der ehemalige Vereinscoach von Gremio Porto Alegre und der Corinthians hat im Land aber auch noch Fürsprecher. Denn er tut konsequent das, was Fans und Medien bei seinem unbeliebten Vorgänger Carlos Dunga immer vergeblich eingefordert hatten. Menezes setzt auf Jungstars wie Neymar (19), Pato (21) und Ganso (21) und lässt sie am liebsten in einem ultra-offensiven System mit drei Stürmern spielen. Am Dienstag unterbrach er in der Mercedes-Benz Arena immer wieder das Training und führte zahlreiche Einzelgespräche mit seinen Spielern, um ihnen seine taktischen Vorstellungen zu vermitteln.

Der „Joga Bonito“, das schöne Spiel, ist vielen Brasilianern genauso wichtig wie der Erfolg. Und so wirbt gerade das Idol Pelé um Geduld mit Menezes. „Ich glaube, das hat nichts mit dem Trainer zu tun“, meinte der mittlerweile 70-Jährige nach dem Aus bei der Copa.

In Stuttgart will Menezes ungeachtet des Erfolgsdrucks seine Experimentierphase fortsetzen. Deshalb berief er Spieler wie die Bundesliga-Profis Renato Augusto (Bayer Leverkusen) und Luiz Gustavo (Bayern München) oder den in der Ukraine spielen Fernandinho (Schachtjor Donezk) in sein Aufgebot. Stars wie Kaka oder Marcelo (beide Real Madrid) erhielten dagegen wieder einmal keine Einladung. „Ich möchte sehen, wie Spieler, die noch nicht bei uns waren, reagieren“, erklärte der Trainer. Er selbst ist ja nach nur einem Jahr im Amt schon abgehärtet genug.