Positive Reaktionen auf Platini-Plan - Wembley-Finale?
Nyon (dpa) - Die ersten Städte haben schon ihre Bewerbungen für die EM 2020 eingereicht, doch für das revolutionäre Turnierprojekt sind noch (fast) alle Fragen unbeantwortet.
„Im Moment haben wir ein weißes Blatt Papier. Noch ist alles offen“, sagte UEFA-Präsident Michel Platini am Verbandssitz der Europäischen Fußball-Union im schweizerischen Nyon.
Nur einen Tag nach der großen Platini-Revolte brachten sich nicht nur in Deutschland die ersten Städte und Stadien für das bislang als einmaliges Projekt geplante Mammutturnier in Stellung. Der kontinentale Tenor auf das Wagnis fällt erstaunlich positiv aus.
„Aus Sicht der UEFA und der europäischen Idee ist der Gedanke des EM-Turniers, das sich über den gesamten Kontinent erstreckt und möglichst viele Länder einschließt, sehr reizvoll“, sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff und ergänzte: „Grundsätzlich finde ich es immer positiv, wenn man den Mut hat, neue Wege zu gehen. Natürlich hoffen wir nun auch auf einen deutschen Spielort.“ Auch Bayern-Trainer Jupp Heynckes hob die praktischen Erwägungen hervor. „Heutzutage kommt man schnell von A nach B. Es hat nicht ein Veranstalter das riesige Finanzpaket zu tragen“, sagte er.
Ausgerechnet der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) steht allerdings dem Vorhaben zwiespältig gegenüber. „Okay, es ist mal einen Versuch wert, aber die Fußball-Euphorie, die sonst das ganze Austragungsland erfasst, wird sicher fehlen“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstag).
Auch wenn das Frage-Antwort-Spiel zwischen Platini und einem knappen Dutzend Journalisten am Freitag kaum Erkenntnisse brachte, gilt es als sicher, dass eine deutsche Metropole in knapp acht Jahren den Zuschlag für EM-Spiele erhält.
In wie vielen Ländern und Städten die EM in acht Jahren ausgetragen wird? „Darüber haben wir noch nicht gesprochen.“ Wie das Bewerbungsprozedere genau aussehen wird? „Das war noch kein Thema.“ Sind auch mehr Städte aus einem Land als Austragungsorte möglich? „Das wird die Exekutive entscheiden.“
Mit diesen Worten enttäuschte Platini all diejenigen, die gehofft hatten, ein nähere Details zum bislang größten Coup des ehemaligen französischen Weltklassespielers zu bekommen. Nur wer - neben ihm - am meisten von dem neuen Format profitieren wird, ist für den UEFA-Boss klar: die Fans. „Wir bringen die Euro zu den Fans. Bislang mussten sie zur Euro kommen, jetzt kommen wir zu ihnen“, sagte Platini sichtlich zufrieden an seinem Amtssitz am Genfer See.
Wohin die deutschen Fans in ihrem Land reisen müssen, ist entgegen aller Berlin-Bekundungen ebenfalls noch offen. Auch wenn die Hauptstadt klarer Gastgeber-Favorit ist. „Natürlich würde sich Berlin freuen, wenn die Wahl des DFB zugunsten unserer Stadt ausfällt. Die Voraussetzungen für die Austragung dieser Spiele sind in Berlin vorhanden“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. „Wir erfüllen alle Kriterien des Anforderungskatalogs der UEFA. Daher sind wir optimistisch, dass wir vom Deutschen Fußball-Bund den Zuschlag erhalten“, meinte auch Verbandschef Bernd Schultz, der sich aber „drei oder vier Städte aus Deutschland“ als Bewerber vorstellen kann.
Neben München und Berlin wären auch Hamburg, Dortmund, Frankfurt oder Gelsenkirchen mögliche Kandidaten. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge will sich für die heimische Arena einsetzen, die 2012 Gastgeber des Champions-League-Endspiels war. Der Hamburger Verbandschef Dirk Fischer machte sich für Spiele im Norden stark.
Der Wettbewerbskommission der UEFA wird nun in den kommenden Wochen und Monaten die Detailarbeit vorbehalten sein. Bei einer ihrer nächsten Sitzungen im Januar oder März wird die Exekutive das genaue Turnierformat und den exakten Bewerbungsprozess für das einmalige Vorhaben verabschieden. Danach haben alle 53 Mitgliedsverbände die Chance, sich zu bewerben. Erst im Frühjahr 2014 steht fest, in wie vielen Ländern und in welchen Städten gespielt wird.
„Es ist vielleicht eine verrückte Idee, aber eine gute“, sagte Platini. Selbst FIFA-Präsident Sepp Blatter habe ihm dazu gratuliert. „Er hat gesagt, es ist eine exzellente Idee“, berichtete der UEFA-Präsident. Einen kleinen Einblick in seine Wünsche ließ Platini dann aber doch noch zu. Die Finalphase mit den beiden Halbfinals und dem Endspiel soll nach seinen Vorstellungen an einem Ort stattfinden.
Galt bislang Istanbul - das sich auch um die Olympischen Spiele 2020 bemüht - als klarer Favorit für das Finale, spekulieren nun auch die Engländer mit dem imposanten Londoner Wembley-Stadion auf den attraktiven und lukrativen Turnierabschluss. „Ich denke, wir werden auf der Shortlist der UEFA sein, aber wir werden starke Konkurrenten haben“, sagte FA-Chef David Bernstein und betonte: „Es wäre wunderbar, es hier zu haben.“ Aus den Niederlanden, Belgien, Österreich oder Portugal kamen ebenfalls positive Reaktionen. Ob die Länder überhaupt zum Zug kommen, ist aber - wie so vieles - offen.