Niersbach mahnt - Cruyff nimmt Eltern in die Pflicht
Amsterdam (dpa) - Nach der tödlichen Prügelattacke auf einen Linienrichter hat DFB-Boss Wolfgang Niersbach zu mehr Respekt und Rücksicht aufgerufen.
In einem Offenen Brief an alle 25 641 Fußballvereine in Deutschland schrieb Niersbach am Freitag: „Was in den Niederlanden passiert ist, darf sich niemals auch nur ansatzweise wiederholen. (...) Niemand darf zulassen, dass aus sportlichem Ehrgeiz Aggression wird, dass aus Emotionalität Hass entsteht, dass Gewalt ins Spiel kommt.“
Hollands Fußballlegende Johan Cruyff machte am Freitag vor allem die Eltern für Aggression und Gewalt im Fußball verantwortlich. „Wenn man sieht, wie Eltern sich bei einem Spiel von Kindern zwischen sechs und elf verhalten, dann ist das skandalös“, sagte Cruyff in Amsterdam. Die Vereine müssten die Eltern viel stärker anpacken. „Es ist Erziehung. Die Kinder kopieren nur, was sie bei ihren Eltern sehen.“
Inzwischen nahm die Polizei einen vierten Tatverdächtigen fest. Ein 16-jähriger Amsterdamer soll an der fatalen Misshandlung des 41 Jahre alten Robert Nieuwenhuizen beteiligt gewesen sein, teilte die Polizei am Freitag mit. Drei Jungen im Alter von 15 und 16 Jahren sind bereits in Haft. „Wir schließen weitere Festnahmen sicherlich nicht aus“, betonte Polizeisprecher Thomas Aling. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren.
Alle Tatverdächtigen gehörten zum Amsterdamer Club SV Nieuw Sloten. Sie sollen am Sonntag den ehrenamtlichen Linienrichter des Amateurvereins SC Buitenboys in Almere bei Amsterdam mehrfach gegen den Kopf getreten und geschlagen haben. Der 41-jährige erlag am vergangenen Montag seinen schweren Kopfverletzungen und wird am kommenden Montag beigesetzt. Der niederländische Premierminister Mark Rutte verurteilte die Tat und erklärte, die Aggression müsse vom Fußballbund KNVB, den Vereinen, Eltern und Schulen angegangen werden. Er betonte, dass die ethnische Herkunft der Täter nicht das Grundproblem sei. Auch angestammte Niederländer seien gewalttätig bei Fußballspielen.
Niersbach nannte die tödliche Attacke „eine unfassbare Tat, die uns betroffen macht und die uns gleichzeitig dafür sensibilisieren sollte, wie wichtig Respekt und Rücksicht im Umgang miteinander sind“. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) appellierte: „Gerade die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen brauchen unseren besonderen Schutz.“
In den Niederlanden begann eine landesweite Kampagne gegen Gewalt im Fußball. Alle überregionalen Tageszeitungen veröffentlichten gratis eine ganzseitige Anzeige des Fußballbundes KNVB mit dem Slogan „Ohne Respekt kein Fußball“. Alle Bürger wurden aufgerufen, die Anzeige in Fenster und Clubhäuser zu hängen.
Der Verein der ehemaligen Nationalspieler kündigte ein Benefiz-Spiel zugunsten der Angehörigen des Opfers an. Eine Auswahl ehemaliger Oranje-Stars will auf dem Platz der Buitenboys in Almere antreten, sagte der Trainer von Ajax Amsterdam, Frank de Boer. Datum und Gegner stehen noch nicht fest.
Im gesamten Land werden Fußballvereine am Samstag des verstorbenen Linienrichters gedenken. Der KNVB hatte alle rund 33 000 Amateurspiele abgesagt. Vor den Spielen der Profiligen wird eine Schweigeminute abgehalten, Spieler und Schiedsrichter sollen einen Trauerflor tragen. Zahlreiche andere Sportverbände schlossen sich der Kampagne an.