Proteste in Brasilien erwischen FIFA auf falschem Fuß
Rio de Janeiro (dpa) - Joseph Blatter hatte mit vielem gerechnet. Chaos an den Flughäfen, verstopfte Straßen in den Mega-Städten und Fußball-Stadien im Rohbauzustand.
Auf all diese Szenarien hatten sich die FIFA und ihr mächtiger Präsident vorbreitet, doch das große Problem beim Testlauf für die Fußball-WM 2014 am Zuckerhut hatte keiner auf dem Zettel: Die Unzufriedenheit der Menschen in Brasilien.
Die Massenproteste in mehreren hundert Städten gegen Misswirtschaft, Korruption und Milliardeninvestitionen für die WM erwischten die FIFA beim Confed Cup auf dem falschen Fuß. „Niemand konnte so etwas erwarten“, berichtete OK-Sprecher Saint-Clair Milesi von der Gefühlswelt bei den WM-Organisatoren.
Tatsächlich ist der FIFA kein unmittelbarer Vorwurf zu machen. Nicht einmal Brasiliens Staatsapparat schien präpariert. Doch das Krisenmanagement verlief auch beim Weltverband nicht gerade glücklich und konnte die Pannen nicht kaschieren, die den WM-Testlauf unabhängig vom Fortgang der Proteste wohl nachhaltig belastet haben.
Fehler Nummer 1: Als die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen auf die Gewalt auf den Straßen reagierte und sogar die WM öffentlich infrage gestellt wurde, war Blatter schon abgereist zur U 20-WM in die Türkei. Fehler Nummer 2: Reflexartig verwiesen FIFA und OK immer wieder auf die Zuständigkeit der staatlichen Sicherheitsbehörden und demonstrierten so aller Welt ihre Ohnmacht.
Auch Blatters erste Aussagen zur sich anbahnenden Eskalation auf den Straßen waren unglücklich. „Der Fußball ist stärker als die Unzufriedenheit der Menschen. Wenn der Ball einmal rollt, werden die Menschen das verstehen, und das wird aufhören“, meinte Blatter vermeintlich krisenerprobt. Und irrte sich damit gewaltig.
Der Fehleinschätzung folgte die Ermahnung. „Brasilien hat diese WM verlangt. Wir haben Brasilien diese Weltmeisterschaft nicht aufgezwungen. Sie wussten, um die WM zu bekommen, müssen Stadien gebaut werden.“ Verständnis für die Proteste äußerte er erst, als sich auch Brasiliens Fußballstars mit den Demonstranten solidarisiert hatten.
Nun berichten sogar die Fußballstars um Brasiliens Neymar oder Italiens Andrea Pirlo von Einschränkungen und es entstand der Eindruck, die WM-Macher hätten aus Sorge um die Sicherheit neue Maßnahmen erlassen. Dem Gastgeber-Team wurden sehr zum Ärger von Trainer Luiz Felipe Scolari öffentliche Trainingseinheiten untersagt. Die entsprechende Regel wurde allerdings schon vor dem Turnierbeginn erlassen, erklärte die FIFA.
Italiens Team wurde in Recife und Salvador freundlich verboten, das Hotel zu verlassen, berichtet Trainer Cesare Prandelli. „Wir haben keine Kenntnis von solchen Anweisungen. Wir werden das Thema besprechen“, sagte Milesi. Vermutlich sei der Rat von lokalen staatlichen Sicherheitsbehörden in den Städten gegeben worden.
Die bittere Ironie für die FIFA ist, dass ihre WM-Generalprobe eigentlich besser läuft als von vielen erwartet. Nur bekommt es im Schatten der Proteste keiner so richtig mit. Das befürchtete Logistikchaos blieb aus. Fans und Mannschaften waren von kleineren Stauproblemen abgesehen relativ pünktlich in Stadien und Hotels.
Die kleinen Flughäfen wie in Brasilia oder Belo Horizonte vermeldeten weder maßgebliche Verspätungen noch ein Abfertigungschaos. Sogar das merkwürdige Ticketsystem, dass von den Fans verlangt, dass sie ihre Karten im voraus an den Spielorten abholen, funktionierte letztlich.
Die Fans machen in Rekordzahl den Confed Cup zu einer bunten Party - zumindest in den Arenen und der gebotene Fußball von vier Weltmeister-Teams bis zu den freundlichen Außenseitern aus Tahiti sorgt für beste Unterhaltung. Ein Torrekord ist greifbar nah. Alles könnte so schön sein am Zuckerhut.
Auch die sechs Stadien erwiesen sich als WM-tauglich, trotz der teilweise massiven Bauverzögerungen und noch mancher sichtbar notwendigen Verschönerungsarbeit. Hier hat Blatter recht wenn er behauptet: „Ich kann sagen, dass die Stadien Juwelen und wunderbar sind. ... Ja, na klar, Brasilien ist vorbereitet.“ Letzterer Teil wird sich aber erst bei der WM beweisen müssen.