Real erweist Di Stéfano die letzte Ehre
Madrid (dpa) - Eine weiße Flagge mit dem Wappen von Real Madrid bedeckt den Sarg von Alfredo Di Stéfano. Daneben sind die fünf Europapokale und die anderen Trophäen aufgereiht, die der einstige Weltklasse-Fußballer mit den „Königlichen“ gewonnen hatte.
Einen Tag nach dem Tod des gebürtigen Argentiniers erwies Real der Fußball-Legende die letzte Ehre. Tausende Fans und Vereinsmitglieder nahmen im Bernabéu-Stadion Abschied von ihrem Idol. Der Sarg war auf der Ehrentribüne des Stadions aufgebahrt worden. „Dieses Stadion war sein heiliger Grund, sein Leben, und es ist der ausdrückliche Wunsch seiner ganzen Familie, ihm diese letzte, verdiente Ehre zu erweisen“, sagte Real-Präsident Florentino Pérez. Der Clubchef sowie Kapitän Iker Casillas und Nationalspieler Sergio Ramos gehörten zu den Ersten, die Di Stéfano die letzte Ehre erwiesen.
Der 88-Jährige war am Montag - drei Tage nach seinem 88. Geburtstag - an den Folgen eines Herzleidens gestorben. Zahlreiche Fans legten Blumen am Sarg nieder. Di Stéfano soll am Mittwoch auf dem Madrider Almudena-Friedhof beigesetzt werden. Bürgermeisterin Ana Botella kündigte an, dass eine Straße oder ein Platz in der spanischen Hauptstadt nach dem Stürmer benannt werden soll.
„Er war für mich ein Lehrmeister, er hat mir viele Dinge beigebracht“, sagte Argentiniens Weltstar Diego Maradona in einem Telefoninterview dem venezolanischen TV-Sender Telesur. Sein Landsmann Lionel Messi reagierte ebenfalls bestürzt. „Die Welt hat eine Legende verloren, einen außergewöhnlichen Mann auf und neben dem Feld“, sagte der viermalige Weltfußballer, der am Mittwoch bei der WM in Brasilien gegen die Niederlande um den Finaleinzug spielt.
Auch Franz Beckenbauer zollte dem gebürtigen Argentinier, der später die spanische Staatsangehörigkeit annahm, seinen Respekt: „Alfredo Di Stéfano war nicht nur eine wahre Legende für Real Madrid, er war auch einer der größten Fußballer aller Zeiten.“ Brasiliens Idol Pelé verneigte sich ebenfalls: „Er war ein Vorreiter, eine Legende des Spiels.“
Di Stéfano hatte seit einem schweren Herzinfarkt 2005 immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Die Spiele von Real erlebte er zuletzt fast nur noch daheim am Fernsehenschirm mit und nicht mehr auf seinem Stammplatz auf der Ehrentribüne des Bernabéu-Stadions. Die WM in Brasilien verfolgte er kaum noch.
Dem Ehrenpräsidenten von Real missfiel einiges am heutigen Fußball. „Es wird viel über Taktik geredet“, sagte er in einem Interview. „Das ist alles völlig übertrieben. Wenn ein Spieler auf dem Platz steht, kann er nicht den Trainer fragen, was er tun soll. Für eine Taktik braucht man drei oder vier Typen in einer Mannschaft, die wissen, wo es lang geht.“
Die Real-Anhänger trauerten nicht nur um ein Idol, sondern empfanden auch eine tiefe Dankbarkeit. Di Stéfano hatte maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Real zu einem Club von Weltruhm aufstieg. Als „La Saeta Rubia“ (Der blonde Pfeil) 1953 bei den Madrilenen anheuerte, hatte der Verein nur zwei spanische Meistertitel vorzuweisen und war international eher unbedeutend. Mit dem Stürmerstar holte Real acht weitere Titel und gewann von 1956 bis 1960 fünfmal hintereinander den Europapokal der Landesmeister.
Der spanische Erfolgsautor Javier Marías (“Mein Herz so weiß“) erläuterte weshalb er Di Stéfano für den besten Spieler der Fußballgeschichte hält. „Wenn man die anderen Stars betrachtet, fehlt immer etwas“, schrieb der Real-Anhänger in der Zeitung „El País“. „Pelé wirkte vergleichsweise unbedeutend. Johan Cruyff kam ihm im Spielwitz nahe, aber nicht im Aufbauspiel. Maradona war schneller und wendiger, aber eher kurzsichtig und nicht so nobel. Messi wirkt eher wie ein wundersamer Automat, der sich wenig um das Spiel der Mannschaft kümmert.“
Dabei war Di Stéfano eigentlich nach Spanien gekommen, um für den FC Barcelona zu spielen. Er trainierte bereits mit den Katalanen, aber aufgrund der unklaren vertraglichen Situation bei seinen vorigen Vereinen in Argentinien und Kolumbien verzögerte sich der Transfer. Dies nutzte Real, um dem Erzrivalen den Star wegzuschnappen. Viele Katalanen sehen bis heute darin ein Manöver der damals in Spanien herrschenden Franco-Diktatur.