Russen diskutieren über Entlassung von Coach Capello
Moskau (dpa) - Nach dem Debakel gegen Österreich steht Russlands Fußball-Nationaltrainer Fabio Capello vor dem Aus.
„Ich denke, dass es von seiner Seite aufrichtig wäre, allen seinen Dank auszusprechen und auf eine Entschädigung zu verzichten“, sagte Wjatscheslaw Koloskow, der Ehrenpräsident des russischen Fußball-Verbandes. Der hochrangige Funktionär legte dem Italiener den prompten Rücktritt nahe.
84 Prozent der Fans sprachen sich in einer Blitzbefragung der Zeitung „Sport Express“ für eine sofortige Beurlaubung von Capello aus. Der Verband ist dabei, nach der Niederlage in der EM-Qualifikation gegen Österreich, über die Zukunft des Trainers zu diskutieren. „Wird Capello entlassen? Ich weiß es nicht, wir erörtern das“, sagte der Interimspräsident Nikita Simonjan, der Zeitung „Sport Express“ zufolge. Der russische Fußball sei in einer Sackgasse, schrieb das Blatt am Montag nach der 0:1-Niederlage gegen Österreich. Dem WM-Gastgeber 2018 droht das Verpassen der Euro 2016 in Frankreich.
Sportminister Witali Mutko sprach von einem „schlechten Spiel“. Capello sei ein „großer Trainer“, aber den Spielern fehle es an Tempo. „Ich verspreche, dass wir der Mannschaft wieder eine Seele geben“, sagte Mutko. Der Chef der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Iwanow, verurteilte das Spiel vom Sonntag als „armselig“.
Die Sportkommentatoren meinten, dass Capello nicht das beste „Material“ habe. Gleichwohl sei der Italiener nicht in der Lage, mehr aus den Spielern herauszuholen. Capello habe eine Mannschaft geschaffen, für die niemand mitfiebern könne noch wolle, hieß es.
Der Italiener ist seit 2012 Coach der Sbornaja und sollte das Team nach einer Vertragsverlängerung auch zur WM 2018 führen. In den vergangenen anderthalb Jahren hat Russland jedoch lediglich gegen Liechtenstein gewonnen. Ein Sieg war den Russen auch nach Ausschreitungen in Montenegro zugesprochen worden.
Die Kritik in Russland nach der Pleite gegen Österreich war für Capello vernichtend. Bei dem Spiel um „Leben und Tod“ gegen Österreich habe das Team rein gar nichts geboten, ätzte die Zeitung „Sport Express“. „Kein Qualitätsfußball, keine physische Form, keine harmonischen Handlungen, kein Streben nach dem Sieg, keine Leidenschaft und gar kein Verlangen, sich nicht vor den Augen Tausender ergebener Fans zu blamieren.“
Der russische Fußball kommt seit Wochen nicht zur Ruhe. Ende Mai wurde Verbandspräsident Nikolai Tolstych in einem internen Machtkampf abgewählt. Sein Stellvertreter Simonjan übernahm kommissarisch das Amt. Als möglicher neuer Verbandschef war mehrfach Mutko genannt worden. Der Sportminister ließ eine mögliche Kandidatur offen.
Tolstych war unter anderem wegen eines Streits um ausstehende Gehälter in Millionenhöhe für Capello in die Kritik geraten. Zuletzt hatte der russische Oligarch Alischer Usmanow dem Fußballverband (RFS) Geld zur Bezahlung des Italieners geliehen. Auch das schlechte Abschneiden bei der WM in Brasilien, bei der die russische Nationalelf schon in der Vorrunde ausschied, wurde dem RFS-Chef angekreidet.