Schulsport statt Weltfußball: Oranje-Kicker in Berlin
Berlin (dpa) - Er kickte mit Patrick Kluivert und Edgar Davids in der Kaderschmiede von Ajax Amsterdam - bis eine Verletzung seine Karriere beendete. Nun bringt Michel Kooistra Berliner Kindern Fußball auf die holländische Art bei.
Begeistert schießt der kleine Junge im leuchtend orangen Trikot den Ball zu seinen Mitspielern. Das Grüppchen Grundschüler spurtet los. Am Spielfeldrand steht Trainer Kooistra und beobachtet das Treiben. „Zu Anfang gab's das täglich, dass da Sprüche kamen“, sagt der 39-Jährige mit holländischem Akzent und lacht. Aller deutsch-niederländischen Fußballrivalität zum Trotz trainiert Kooistra in Berlin Grundschüler mit seiner „Holländischen Fußballschule“ - nachdem er selbst an einer Amsterdamer Kaderschmiede gekickt hatte und als Jugendtrainer bei Hertha Talente entdeckte.
Bereits als Neunjähriger überzeugt Kooistra niederländische Talentsucher mit seinem Können und wird ins Fußballinternat von Ajax Amsterdam aufgenommen. Die Jugendausbildung dort gilt als eine der besten der Welt. Kooistra steht mit zukünftigen Größen wie Edgar Davids, Patrick Kluivert oder Frank de Boer auf dem Platz. „Man verstand sich gut“, sagt der freundliche Niederländer mit den strubbeligen Haaren. Ein wenig Konkurrenzkampf sei natürlich auch dabei gewesen.
Für Ajax schießt er im Jugendturnier gegen die Nachwuchsmannschaft des FC Bayern München zwei Tore. „Das war das beste Spiel meines Lebens.“ Beim Rückspiel des UEFA-Cup-Finales 1992 zwischen Ajax und dem AC Turin steht Kooistra am Spielfeld - als Balljunge erlebt er die 90 Minuten bis zum Pokalsieg der Niederländer hautnah. „Es war eine sehr schöne Zeit.“
Doch während seine Mitspieler bei Weltklasse-Clubs wie AC Mailand und FC Barcelona Karriere machen, zerstört eine Knöchelverletzung Kooistras Traum vom Profifußball. „Wenn man mit 18 Jahren eine Verletzung hat, kann man es vergessen.“ Er entscheidet sich für ein Studium und verlässt schließlich die Niederlande. „Ich hab alle meine Schiffe hinter mir verbrannt“, sagt Kooistra.
Obwohl die aktiven Zeiten hinter ihm liegen, lässt ihn das runde Leder nicht los: für eine Saison heuert er als Jugendtrainer bei Hertha BSC an. Unter seinen Schützlingen sind die Boateng-Brüder, Änis Ben-Hatira und Manuel Schmiedebach. „Ich hab versucht, mit dem Ball Werte und Normen zu vermitteln.“ Doch Kooistra ist unzufrieden - der Druck, Leistung zu bringen, sei enorm gewesen. „Es war keine schöne Zeit.“
2004 gründet er die „Holländische Fußballschule“, einige Jahre später den Verein Oranje Berlin. Kreativ und individuell sei niederländischer Fußball für ihn, so Kooistra. Spielerisches Training, eigener Stil und viel Technik stehen im Vordergrund. „Wir wollen keinen Druck haben.“ Einmal pro Woche spielen die Kinder unter Anleitung der Fußballschule - im Gegensatz zu Vereinen ohne feste Spielzeiten und Verpflichtungen am Wochenende.
„Ich hab nicht jeden Samstag Lust zu spielen“, sagt ein Neunjähriger mit braunen Locken und einer leuchtend orangen Sporthose, bevor er wieder Richtung Spielfeld hüpft. Das Training in der Grundschule im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist fast zu Ende. Insgesamt trainiert Kooistra zusammen mit drei Honorarkräften 250 Kinder an 15 Berliner Grundschulen.
Ihm gefallen die Stunden, meint ein kleiner Junge mit Brille. Bei Länderspielen seien allerdings eher Deutschland und Spanien seine Mannschaften. Kooistras Schule ist auch ein bisschen Völkerverständigung zwischen den Nationen, die eine intensive Fußball-Rivalität verbindet: unvergessen ist das WM-Achtelfinaldrama von 1990, als der Niederländer Frank Rijkaard den damaligen deutschen Stürmer Rudi Völler bespuckte.
Bei der Weltmeisterschaft 2010 baut Kooistra einen Beamer auf und guckt zusammen mit den Kindern die Spiele der Niederländer. Allerdings hat auch die sportliche Völkerverständigung seine Grenzen: Bei Länderspielen drückt Kooistra trotz aller Zuneigung zu seiner Wahlheimat dem Oranje-Team die Daumen. „Ich bin nach wie vor für Holland“, sagt er und grinst. „Und Holland gegen Deutschland schaue ich allein.“