Southamptons Wunder: Saints rocken die Premier League
London (dpa) - Ronald Koeman trommelte die Profis des FC Southampton zusammen. Der Trainer des Premier-League-Clubs hatte vor dem Duell am Samstag gegen Aufsteiger Leicester City Redebedarf. Angenehmen Redebedarf.
Thema der Sitzung: Die gestiegene Erwartungshaltung.
Mit dieser Erfolgsserie der lokalen Fußball-Helden hatte man selbst in der südenglischen Hafenstadt nicht gerechnet. Platz zwei in der Liga; Hoffnung auf die Champions League statt Abstiegskampf schon im November. Dabei waren die Vorzeichen denkbar schlecht: Nach dem Ausverkauf beinahe aller Leistungsträger im Sommer wurden die Saints auf der Insel als Abstiegskandidat gehandelt. Doch nach zehn Spielen haben sie 22 Zähler - nur Spitzenreiter FC Chelsea (26) ist besser. „Koeman hat ein Wunder geschafft“, kommentiert die „Daily Mirror“.
Schon in der vergangenen Spielzeit hatte Southampton überrascht. Der damalige Trainer Mauricio Pochettino führte die Saints furios auf den achten Rang. Die finanzstarke Konkurrenz reagierte und riss den Saints förmlich das Herz heraus: Manchester United angelte sich Luke Shaw (37,5 Millionen), Arsenal schnappte sich Calum Chambers (20 Millionen), und der FC Liverpool kaufte Adam Lallana (31 Millionen), Rickie Lambert (5,5 Millionen) und Dejan Lovren (25,3 Millionen). Heute stehen alle diese Spieler mit ihren Teams hinter Southampton. Wie auch Pochettino, der zu Tottenham wechselte und mit den Spurs noch nicht auf Kurs ist.
Als Koeman am 1. Juli seinen neuen Job begann, war das Chaos perfekt. Von der Überraschungsmannschaft war fast nichts mehr übrig. Immerhin konnte der Niederländer Morgan Schneiderlin vom Verbleib überzeugen. Der Franzose hatte nach der Massenflucht mit Streik gedroht, wenn er den Club nicht auch gen Tottenham verlassen dürfe.
Koeman hat sich als Meister des Neuaufbaus erwiesen. Der 51-Jährige hat im Handumdrehen eine neue Mannschaft gezimmert. Gelernt habe er das in der niederländischen Liga. „Dort musst du jedes Jahr ein neues Team entwickeln, denn die meisten Spieler verlassen Holland schnell“, sagte der Ex-Coach von Feyenoord Rotterdam. „Abgänge sind doch kein Problem, wenn man sie mit Qualität ersetzen kann.“
Das ist dem Europameister von 1988 gelungen. Er hat klug und verhältnismäßig kostengünstig eingekauft. Vor allem die beiden Profis, die er aus den Niederlanden mitgebracht hat, überzeugten. Mittelfeldspieler Dusan Tadic (FC Twente/14 Millionen) stellte Lallana mit acht Vorlagen und zwei Toren bereits in den Schatten. Und auch der Italiener Graziano Pellè von Koemans Ex-Club Feyenoord (10 Millionen) übertraf mit neun Treffern alle Erwartungen. Als Belohnung wurde der Stürmer im Alter von 29 Jahren zum ersten Mal in die Squadra Azzura berufen.
Weitere Leistungsträger sind Sadio Mané (RB Salzburg), Ryan Bertrand (FC Chelsea) und Toby Alderweireld (Atlético Madrid), aber auch Schneiderlin. Insgesamt hat Koeman dem Club von Besitzerin Katharina Liebherr einen Transferüberschuss von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaftet. Die 37-Jährige hatte den Verein 2010 von ihrem verstorbenem Vater, dem Deutsch-Schweizer Markus Liebherr, geerbt. Der Milliardär hatte Southampton ein Jahr zuvor für kolportierte 15 Millionen Euro gekauft und vor dem Konkurs bewahrt.
„Wir haben Glück gehabt, dass es bei allen sofort klick gemacht hat“, gibt Koeman zu. Der Coach lässt Southampton gemächlicher spielen. Seine Basis steht. Sieben Spieler standen bisher in jeder Partie von Beginn an auf dem Rasen. Überzeugend war bisher auch die Abwehr. Kein Team hat in der Liga weniger Tore kassiert (5). Im eigenen St. Mary's Stadion musste der neue Keeper Frazer Foster (Celtic Glasgow) erst einen Gegentreffer hinnehmen.
„Wenn wir auf dem Boden bleiben und weiter arbeiten wie bisher, kann es eine großartige Saison werden“, sagt Koeman. Und: „ManCity hat ein großartiges Team und Chelsea ist wahrscheinlich die kompletteste Mannschaft im Moment. Aber der Rest hat bisher nicht gezeigt, dass sie bessere Mannschaften als wir haben“.
Allerdings stehen die echten Bewährungsproben noch an. In den nächsten Wochen warten Manchester City, FC Arsenal und Manchester United auf die Saints. Bisher waren die bezwungenen Gegner eher in der unteren Tabellenhälfte zu finden. Gegen Liverpool und die Spurs gab es zwei Niederlagen. Koeman sagt: „Wir sind noch kein großer Club. Aber wir sind ein Club, der gerne ein großer werden will“.