Spanien laufen die Stars davon
Die Wirtschaftskrise bekommt auch die Primera Division zu spüren. Die Flucht der Stars könnte die Nationalelf schwächen.
Madrid. Der spanische Nationalstürmer Roberto Soldado hat als vorerst letzter Reißaus genommen. Nach Streit mit FC-Valencia-Präsident Amadeo Salvo um eine Gehaltserhöhung bestieg der 28-Jährige schimpfend die Maschine nach London. „Der Presidente hat mich angelogen“, wetterte der neue Mann von Tottenham Hotspur.
Vor Soldado waren in diesem Sommer bereits 26 zum Teil erstklassige Profis der Primera División vor Misswirtschaft und Konjunkturflaute ins Ausland geflüchtet. Dem Land des Weltmeisters laufen die Spieler davon. Das Sportblatt „Mundo Deportivo“ befürchtet bereits den „Tod“ des spanischen Fußballs. Allein die finanzstarke Premier League verstärkte sich im Sommer für 107 Millionen Euro mit 15 spanischen Spielern. Manchester City holte die FC-Sevilla-Stars Jesús Navas und Álvaro Negredo, „The spanish Swansea“ von Michael Laudrup zählt bereits sieben „Españoles“ in den Reihen. In Negredo (25) und Soldado (24) verliert La Liga den viert- und fünftbesten Torjäger.
Aber nicht nur Spanier suchen das Weite. Auch der hinter Lionel Messi (Barcelona/46 Tore) und Cristiano Ronaldo (Real Madrid/34) in der Torjägerliste drittplatzierte Kolumbianer Radamel Falcao wechselte von Atlético Madrid zu Monaco. Die Spanier sind wegen der Krise abwanderungswilliger, im Ausland sind sie wegen der Erfolge der Nationalelf gefragter denn je. Auch die Bundesliga kommt dank Profis wie Thiago Alcántara und Javi Martínez (beide FC Bayern) in den Genuss der iberischen Ballkunst.
Elf der 23 Spieler des Confederations-Cup-Kaders der „La Roja“ spielen inzwischen nicht mehr daheim. „Mundo Deportivo“ glaubt: „Die Massenflucht zieht auch die Nationalelf in Mitleidenschaft.“ Die Liga werde zudem langweiliger und im europäischen Vergleich schwächer.
Von den beiden „Giganten“ abgesehen, Meister FC Barcelona und Real Madrid, die ihre Verbindlichkeiten noch durch Einnahmen und Vermögenswerte decken, kicken die restlichen Klubs der 1. und 2. Liga am Rande des Bankrotts. Sie werden von einem Gesamtschuldenberg von 4,1 Milliarden Euro erdrückt.
Der Landesmeister von 2000, Deportivo La Coruña, bekam diese Woche nach dem Abstieg in die 2. Liga nur deshalb die Profilizenz, weil die Spieler ihre Anzeige wegen ausstehender Gehälter am Donnerstag in letzter Sekunde zurückzogen. CD Guadalajara wurde im Juni von der 2. in die 3. Liga zwangsversetzt, der Traditionsverein UD Salamanca wurde sogar aufgelöst.
Die spanischen Clubs hatten sich trotz Misswirtschaft lange dank versteckter öffentlicher Hilfen und vielen Krediten über Wasser gehalten. Auch die Regierung in Madrid hatte ihre schützende Hand über die Vereine gehalten. Die Verschwendung öffentlicher Gelder ist jedoch bei einer Rekordarbeitslosigkeit von 27 Prozent politisch nicht mehr tragbar. Die Regierung forderte deshalb, dass die Vereine in drei Jahren unter anderem durch geringere Spielergehälter ihre Schulden um gut ein Viertel verringern.
Auch deshalb konnte Valencia-Boss Amado seinem Stürmerstar die versprochene Gehaltserhöhung nicht gewähren. Soldado flog demonstrativ mit einer Billigairline nach London. In London muss er allerdings nicht mehr „sparen“: Sein bisheriges Gehalt (1,8 Millionen Euro) wird verdreifacht.