Stadionposse in Rio: Blamage für Brasilien verhindert
Rio de Janeiro (dpa) - Gracia Cristina Moreira do Rosário hat WM-Gastgeber Brasilien zwei Wochen vor Beginn des Confederations Cups eine Peinlichkeit sondergleichen erspart.
Wenige Stunden nach der Absage des mit Spannung erwarteten Testspiels zwischen dem fünffachen Fußball-Weltmeister und England wegen Sicherheitsbedenken genehmigte die diensthabende Richterin die Partie im Maracanã-Stadion doch noch. Der Bundesstaat Rio habe einen Bericht der Militärpolizei vorgelegt, nachdem die Sicherheit beim Spiel gewährleistet werden könne, hieß es. Zweifel am Zustand des frisch renovierten Maracanã-Stadion in Rio bleiben dennoch.
Am Donnerstagabend hatte die Stadionposse mit einem Beschluss von Richterin Adriana Costa dos Santos ihren Anfang genommen. Sie gab einem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und untersagte das Eröffnungsspiel aus Sicherheitsgründen. Laut der Zeitung „Folha de Sao Paulo“ war bemängelt worden, dass in dem legendären Stadion noch Bauschutt herumliege. Dieser könnte von gewalttätigen Fans als Waffe benutzt werden. Santos' Einstweilige Verfügung wurde Stunden später mit der neuen Justiz-Entscheidung wieder aufgehoben.
Eine Inspektion habe ergeben, dass die Sicherheitsvorkehrungen sehr wohl den Vorschriften entsprächen, teilte das Gericht mit. Der Bundesstaat Rio erklärte, dass alle Vorschriften erfüllt seien, der entsprechende Polizeibericht aufgrund eines „bürokratischen Fehlers“ aber nicht rechtzeitig übergeben worden sei. Auch bei der englischen Mannschaft, die bereits am Mittwoch angereist war, sorgte die Nachricht für Irritationen. „Zunächst dachte ich, das Ganze sei ein Scherz, dann war ich ehrlich überrascht. Aber der Verband hat uns ziemlich schnell beruhigt und versichert, dass das Spiel stattfinden wird“, schilderte Englands Torwart Joe Hart die kurzzeitige Konfusion.
Im legendären Maracanã, in dem auch am Freitag noch fleißig gewerkelt wurde, sollen zwei Gruppenspiele und das Finale des Confederations Cups (15. bis 30. Juni) sowie im kommenden Jahr das WM-Endspiel ausgetragen werden. Die 74 000 Zuschauer fassende Arena war zweieinhalb Jahre für umgerechnet 330 Millionen Euro renoviert worden. Eigentlich hätte das Stadion bereits im Dezember 2012 fertig sein sollen.
Die englischen Gäste, die schon fleißig am Strand von Leme in Rio trainierten, reagierten etwas ungläubig auf die Nachricht von der Stadionsperre. „Sprechen Sie von diesem Spiel, das am Sonntag?“, stutzte Englands Co-Trainer Gary Neville zunächst bei einer Pressekonferenz. Mit britischen Humor schlug er dann aber vor: „Wir können auch am Strand spielen.“
Verzögerungen beim WM-Gastgeber sind notorisch. FIFA- Generalsekretär Jerome Valcke hatte bei einer Inspektionsreise vor vier Wochen angemerkt, dass bis zum Confed Cup nicht alles „zu 100 Prozent“ fertiggestellt sein werde. „Dies darf und wird es beim World Cup nicht geben“, schrieb er den WM-Ausrichtern ins Stammbuch. Auch Bebeto kritisierte in seiner Funktion als Mitglied des lokalen Organisationskomitees (COL) die vorübergehende Absage der Eröffnungspartie. „Ich habe einen richtigen Schock bekommen, als ich von dem Urteil erfahren habe. So etwas darf nicht passieren. Das Stadion ist absolut perfekt. Negative Nachrichten wie diese können wir uns nicht erlauben“, sagte der Weltmeister von 1994 am Freitag. Dagegen hatte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff erst vor wenigen Tagen die sechs Arenen für die WM-Generalprobe gelobt, darunter auch das Maracanã-Stadion.
Bei der sportlichen Ouvertüre steht für die Brasilianer mehr auf dem Spiel als der Sieg in einem Freundschaftsmatch. Eine Niederlage gegen England käme in den Augen vieler Brasilianer einem bösen Omen gleich. Denn der Aberglaube sitzt tief im größten Land Südamerikas. Nicht ohne Grund absolviert die Seleção in diesem Jahr ihre Turniervorbereitung erstmals wieder in Rio. Zuletzt hatte man 1970 vor dem dritten WM-Titel auf dem Gelände im Stadtteil Urca trainiert. Würden die Engländer, die Trainer Luiz Felipe Scolari schon den Amtsantritt im Februar mit ihrem 2:1-Sieg vermiest hatten, nun auch noch bei der Einweihungsfeier gewinnen, wäre die Aufregung groß am Zuckerhut.
Um ein solches Szenario zu verhindern, hatte der Verband CBF sogar die Defensivspieler Dante und Luiz Gustavo vom FC Bayern noch vor dem Finale des DFB-Pokals gegen Stuttgart nach Hause beordert. „Für uns beginnt die Weltmeisterschaft schon am Sonntag. Daher brauchen wir bereits jetzt jeden Spieler“, begründete Brasiliens Technischer Direktor Carlos Alberto Parreira die Maßnahme. Dante landete dann auch fristgerecht am Freitagmorgen in Rio. Ob er am Sonntag spielt, konnte er noch nicht sagen. Aber am Samstag hat er einen festen Termin. Dann will er im Fernsehen auf jeden Fall das DFB-Pokal-Endspiel sehen.