Trainer-Posten vakant: Brasilien sucht Superstar
Rio de Janeiro (dpa) - Die anspruchsvollste Stellenanzeige im Weltfußball hängt am Zuckerhut aus. Gesucht wird schlicht ein Supermann.
Ein Bewerber muss Erfahrung im internationalen Fußball haben, von Vorteil wären vorzuweisende WM- und Meistertitel, Charisma wird selbstverständlich vorausgesetzt, breite Schultern sind zwingend vonnöten. So lauten die Merkmale der Job-Offerte für den Posten des neuen Nationalcoachs von Brasiliens Seleção. Als Lohn winken ein satter WM-Sieg-Bonus - aber keine Job-Garantie bis 2014 oder gar darüber hinaus. Das musste auch der gefeuerte Mano Menezes nach knapp zweieinhalb Jahren bitter feststellen. Seine Ära ist vorbei. Der Nachfolger hat nur eine Mission: Titel Nummer sechs bei der Heim-WM.
Schon kurz nachdem der Chef des Fußballverbandes CBF, José Maria Marin, Menezes' Schicksal am Freitag besiegelt hatte, nahm das Kandidaten-Karussell Fahrt auf. Ganz oben steht der Name Luiz „Felipão“ Scolari. Der wird von Spielern und Journalisten gleichermaßen gefürchtet und geliebt. Doch das Renommee des 64-jährigen WM-Siegers von 2002 und derzeit vereinslosen Trainers ist angekratzt, nachdem er im September bei Palmeiras wegen Erfolglosigkeit gefeuert wurde und der Club inzwischen als Absteiger in die 2. Liga feststeht. Aber er ist der Favorit des einflussreichen CBF-Vizes Marco Polo del Nero.
Vor drei Jahren beantwortete Scolari die Frage eines Journalisten auf etwaige Nationaltrainer-Ambitionen so: „Bist Du verrückt? Stell' Dir den Druck vor.“ Doch seitdem sind zwei Trainer - Carlos Dunga und Mano Menezes - verschlissen. Der Druck ist zwar noch größer geworden, doch die Ruhmchancen auch. „Scolari wird nur dann nicht erneut Nationaltrainer, wenn Tite mit Corinthians (São Paulo) die Clubmeisterschaft (im Dezember in Japan) gewinnt“, kalkulierte Globo-Sportjournalist Renato Maurício Prado.
Adenor Leonardo Bacchi (kurz: Tite) ist der zweite gewichtige Name, der im Gespräch ist. Sein Club Corinthians gewann 2011 die Meisterschaft und in diesem Jahr die Copa Libertadores. Tite, dessen Vertrag bis 2013 läuft, wollte sich nicht äußern und beschränkte sich auf Nachfragen am Spielfeldrand nur mit dem Satz: „Der Vater im Himmel erleuchte mich.“ Auch der Trainer von Pelés früherem Club FC Santos, Muricy Ramalho, wird heiß gehandelt.
Die Entscheidung fällt erst im Januar. Dann sind es noch sechs Monate bis zum Confederation Cup, der Generalprobe für die WM 2014. Die Aussicht auf Ruhm und Ehre und die Herausforderung lockte einen prominenten Top-Trainer schon aus der Reserve: Josep Guardiola. „Das einzige Team der Welt, bei dem ich schon morgen als Trainer anfinge, ist die brasilianische Seleção. Und ich würde mit Brasilien Weltmeister“, ließ der Barca-Erfolgscoach aus seiner selbst gewählten Auszeit die Sportzeitung „Lance!“ wissen. Der Spanier war im Mai nach vier Jahren und 14 Titeln beim FC Barcelona zurückgetreten.
Die Wortmeldung registrierte selbst Ronaldo, der im Aufsichtsrat des lokalen WM-Komitees sitzt. „Er ist der derzeit beste Trainer der Welt. Er hat eine sehr gute Arbeit in Barcelona gemacht und wäre ein großer Name, um die Seleção bis zur WM 2014 zu führen“, räumte Ronaldo ein. Wer auch immer den Job bekommt, er steht vor enormen Erwartungen. „Er soll Champion und Held sein“, schrieb der Journalist Marcelo Adnet in seiner Kolumne und machte einen Außenseiter-Vorschlag: „Aufgrund der fehlenden Zeit und der Ruhe zum Arbeiten wäre es besser, Tom Cruise zu rufen. Es ist eine Mission Impossible.“