Wettskandal schockt Italien - Fußballer in Haft
Rom (dpa) - Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Abscheu und Wut hat Italien auf den neuen Fußball-Wettskandal reagiert.
Die am Mittwoch im Rahmen einer landesweiten Razzia ausgehobene Bande von mutmaßlichen Wettbetrügern rund um den ehemaligen Nationalspieler Beppe Signori soll 18 Spiele der ersten, zweiten und dritten Liga manipuliert haben. Auch der Erstliga-Aufstieg von Atalanta Bergamo und AC Siena ist ins Zwielicht geraten. Neben dem früheren Kapitän des Erstligisten Lazio Rom wurden 15 weitere Spieler, Vereinsfunktionäre und Wettbürobetreiber festgenommen, gegen insgesamt 30 Personen wird ermittelt.
„Diese Subjekte haben den gesamten Fußball beschmutzt“, klagte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Italien, Gianni Petrucci. Sport-Staatssekretär Rocci Crimi bezeichnete die Machenschaften der Wettbetrüger als „Schande“ und kündigte eine „schonungslose Verfolgung der Schuldigen“ an. Die italienischen Nationalspieler zeigten sich vor ihrem EM-Qualifikationsspiel am Freitag in Modena gegen Estland betroffen. „So etwas hat uns gerade noch gefehlt“, meinte „Azzurri“-Coach Cesare Prandelli.
„Der Fußball in Handschellen“, titelte die „Gazzetta dello Sport“. Der Corriere della Sera klagte: „Schmutziges Spiel.“ Fünf Jahre nach der Liga-Manipulationsaffäre um Juves Ex-Manager Luciano Moggi erschüttert ein neuer Skandal von nie dagewesener Dimension den „Calcio italiano“. Neben dem von dem Cremoneser Untersuchungsrichter Guido Salvini als „ein zentrales Element“ der mutmaßlichen Betrügerbande bezeichneten Signori stehen auch Stars wie der Ex-Profi und jetzige TV-Kommentator Stefano Bettarini sowie Cristiano Doni (Atalanta Bergamo) unter Verdacht.
Nicht nur die Verwicklung der vielen Stars, sondern auch die Skrupellosigkeit der Bande schockieren die Fußballwelt. Wie die „Gazzetta dello Sport“ berichtete, wird dem ehemaligen Torwart Marco Paolini vom Drittligisten Cremona vorgeworfen, seinen Mitspielern im Spiel am 14. November gegen Paganese Beruhigungsmittel in die Wasserflaschen geschüttet zu haben.
Der 27-jährige Fußballer, der vor kurzem zu Benevento wechselte, senkte so die Leistungsfähigkeit seiner Teamkollegen und schloss hohe Wetten gegen sein eigenes Team ab. Einige Mitspieler mussten mit Vergiftungserscheinungen behandelt werden, Paolini flog auf und löste damit die Ermittlungen aus. „Das ist ekelhaft“, verurteilte Juve-Star Andrea Pirlo im Trainingslager der „Squadra Azzurra“ Paolinis Vergiftungsaktion.
Dass die Bande sogar die Gesundheit der Spieler aufs Spiel setzte, wird das Strafmaß verschärfen. Den Wettbetrügern drohen mehrere Jahre Haft, zumal der Leiter der Ermittlungen in Cremona, Sergio Lo Presti, bereits von einer „kriminellen Organisation“ sprach und sie damit in der Nähe der Mafia rückte. Die in sechs Monaten zusammengetragenen Beweise seien „schwerwiegend und unwiderlegbar“.
Gemäß Richter Salvini hat die aus drei Zellen bestehende Bande bis zu fünf Partien gleichzeitig manipuliert. Der Versuch, das Serie-A-Spiel zwischen Inter Mailand und US Lecce am 30. März zu manipulieren scheiterte allerdings. Allein Signori soll in diesem Fall 150.000 Euro verloren haben. „Habt Mitleid“, flehte der 43-Jährige vor seinem ersten Verhör. Sein Anwalt erklärte später: „Signori hat nichts mit der Sache zu tun“.
Die ins Zwielicht geratenen Aufsteiger aus Bergamo und Siena beteuerten, dass bei ihnen alles mit rechten Dingen zuging. Bergamos Trainer Stefano Colantuono bezeichnete den Manipulationsverdacht gegen sein Team als „Witz“ und die Vorwürfe gegen Doni als „absurd“. Auch Stefano Bettarini wies alle Anschuldigungen zurück. „Ich muss jetzt meinen Ruf schützen“, sagte der Ex-Fußballer, der 2004 schon einmal wegen unerlaubter Wetten zu einer fünfmonatigen Sperre verurteilt worden war. Auch Doni stand 2001 schon einmal unter Manipulationsverdacht, wurde aber freigesprochen.
Italiens Fußballverband kündigte eigene Ermittlungen und gerichtliche Schritte gegen die Betrüger an: „Wir werden Schadenersatz fordern“, sagte FIGC-Präsident Giancarlo Abete. Verbraucherschützer forderten eine Rückerstattung der Wetteinsätze für die betroffenen Partien, was die Wettbüros jedoch ablehnen.