Wigans Cup-Wunder - Scharner: Einfach unglaublich
London (dpa) - Wigans Trainer Roberto Martínez würde den ersten großen Titel der 81-jährigen Clubhistorie am liebsten als Hollywood-Stoff verkaufen. „Ich habe schon Filme mit schlechteren Drehbüchern gesehen“, brüllte der kleine Katalane in ein TV-Mikrofon auf dem heiligen Rasen von Wembley.
Derweil feierten seine arg abstiegsbedrohten Latics, in deren DW Stadium nicht einmal ein Trophäenschrank steht, glücksberauscht den Finaltriumph im legendären FA-Cup über Englands Ex-Fußball-Meister Manchester City.
Das einzige Tor des Tages hatte Joker Ben Watson in der Nachspielzeit geköpft (90+1.) - ein Rotschopf mit dem Spitznamen „Prinz Harry“. Der Österreicher Paul Scharner - vom Hamburger SV ausgeliehen - ballte die Fäuste in die Kameras und haspelte mit weit aufgerissenen Augen: „Unglaublich, einfach unglaublich!“
Der Verteidiger ist der erste FA-Cup-Sieger aus der Alpenrepublik. In Hamburg hatten sie den 33-Jährigen für nicht gut genug für einen Stammplatz befunden. Genugtuung ist „Wigans Wunder“ („Times“) auch für Kult-Besitzer Dave Whelan. Vor 53 Jahren als hoffnungsvoller Jungprofi der Blackburn Rovers hatte er im FA-Cup-Endspiel gegen die Wolverhampton Wanderers (0:3) einen fürchterlichen Beinbruch erlitten, der in die englischen Fußball-Geschichtsbücher als „Wembley Hoodoo (Unglück)“ einging.
Die Abdrücke der Stollen zieren nach eigenen Angaben noch heute sein Bein. „Jetzt ist die Rechnung von 1960 beglichen“, frohlockte der 76-Jährige. Auch Matchwinner Watson war in dieser Saison ein halbes Jahr wegen eines Beinbruchs nicht dabei - am Samstag fehlten bei Wigan ein Dutzend Spieler verletzt. Ein Grund mehr für den „Observer“ zu schreiben: „Das wird in Erinnerung bleiben als eine der FA-Cup-Geschichten der Neuzeit.“
Der Club aus der 80 000-Einwohner-Stadt im Nord-Westen von Manchester spielt nun in der kommenden Saison in der Europa League, aber womöglich als Zweitligist. Zwei Spiele vor Saisonschluss liegt die „Blue white Army“ mit 35 Punkten auf dem drittletzten Rang. Die nächste, schwere Aufgabe steht am Dienstag an beim noch um die Champions-League-Teilnahme kämpfenden FC Arsenal. „Das hier wird den Jungs so einen Schub geben“, glaubt Whelan. „Wenn wir jetzt noch in der Premier League bleiben, haben wir alles erreicht.“
Allerdings ist Whelans geschätzter Partner Martínez wohl in der kommenden Saison nicht mehr dabei: Der 39-Jährige, einst auch als Mittelfeldstratege für die Latics aktiv, gilt als Favorit auf den Trainerposten des FC Everton.
Eine weitere Trainerzukunft scheint unterdessen auch ungewiss: Nach Informationen britischer Medien wie dem „Guardian“ hat ManCity hinter Roberto Mancinis Rücken mit FC-Málaga-Erfolgscoach Manuel Pellegrini Vertragsgespräche geführt. Schon vor der FA-Cup-Blamage.
„Diese Spekulation ist Müll. Ich werde nächste Saison hier sein“, dementierte Mancini zunächst barsch. Schien sich seiner Sache dann aber nicht mehr so sicher und beklagte mangelnde Rückendeckung vom Verein. „Ich weiß nicht, ob es wahr ist“, sagte der Italiener. „Ich weiß nicht, weshalb der Club das nicht gestoppt hat. Ich denke nicht, dass das korrekt war.“ Falls an den Verhandlungen mit dem Chilenen Pellegrini etwas dran sei, „bin ich dumm, weil ich überhaupt nichts gemerkt habe, aber ich bin mir sicher, dass ich mit ernsthaften Leuten arbeite und ich einen guten Job gemacht habe.“ Dieser Meinung sind wohl auch die City-Fans: Sie feierten Meistertrainer Mancini und stimmten Pellegrini-Schmähgesänge an.