Nations League Löw kitzelt seine Ex-Weltmeister - Kroos sieht „Bringschuld“

München (dpa) - Joachim Löw kann nicht zaubern. Aber schon mit wenigen Tricks und Kniffen soll gegen Fußball-Weltmeister Frankreich ein Kunststück gelingen.

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Die Düsternis der trostlosen deutschen WM-Darbietung soll am Donnerstag (20.45 Uhr) beim brisanten Neustart in der Nations League in 90 leidenschaftlichen Minuten verwandelt werden in einen strahlenden Herbst. Löws Zauberformel lautet: Totale Hingabe, „auf Teufel, komm' raus verteidigen“ und kleinere taktische Anpassungen. „Es ist eine positive Ungeduld in der Mannschaft zu spüren, es wieder besser zu machen“, sagte der Bundestrainer in München: „Es liegt an der Mannschaft, den Funken bei den Fans wieder zu zünden.“ Löw wurde von Toni Kroos bestätigt: „Wir sind in der Bringschuld.“

Diese haben in der ausverkauften Allianz Arena neben Löw besonders die Ex-Weltmeister um Kroos. Der Bundestrainer hatte ja eine Art Loyalitäts-Kader mit noch 16 WM-Teilnehmern berufen. Aber die in Russland neben ihm besonders tief gestürzten 2014-Weltmeister Kroos, Neuer, Hummels, Boateng und Müller müssen gegen die Équipe Tricolore wieder eine Topleistung liefern.

„Jede Mannschaft, die erfolgreich sein will, braucht eine Achse. Auf diese Spieler ist Verlass. Wer glaubt, dass nur mit jungen Spielern der Weg steil nach oben geht, täuscht sich“, sagte Löw. Er verband das Vertrauen aber auch mit einer klaren Forderung: „Ich erwarte von ihnen, dass sie den Karren wieder anschieben.“ Sonst könnte doch ein größerer Umbruch folgen.

Auch beim Abschlusstraininig am Mittwoch in der Allianz Arena hatte Löw wie an beiden Vortagen alle 22 Spieler seines Kaders zur Verfügung. Alle wissen: Es geht gegen die neue Nummer 1 der Fußballwelt mit einem intakten Team und individuellen Ausnahmekönnern wie Antoine Griezmann, Paul Pogba oder Kylian Mbappé also um weit mehr als einen Prestigeerfolg. Es geht um einen Stimmungswandel bei den Anhängern und erste Punkte in der neuen Nations League, aus der Deutschland in der Gruppe mit Favorit Frankreich und Erzrivale Niederlande als Letzter sogar in die zweite Liga des neuen Wettbewerbs absteigen könnte.

„Ich finde das Format gut“, sagte Bayern-Profi Thomas Müller. Als „Wettkampftyp“ bevorzuge er Partien, in denen es um etwas gehe. Das sei besser als ein „Testspiel“. Auch Löw findet die Nationenliga inzwischen gut. „Man kann auch absteigen“, erwähnte er selbst. Aber vom Druck „werde ich nicht aus der Bahn geworfen“, versicherte der ewige Bundes-Jogi.

Im Fall des fortgesetzten Misserfolges könnte er aber schon über die neue Nationenliga stolpern, auch wenn der 58-Jährige für sich selbst eine längere Bewährungsfrist einforderte. „Das übergeordnete Ziel ist die Europameisterschaft 2020. Erst da können wir uns rehabilitieren für die WM“, sagte der seit 2006 amtierende Bundestrainer.

Auf Platz 15 ist Deutschland im FIFA-Ranking nach dem WM-Desaster abgestürzt. Das verlangt Veränderungen, taktisch und personell. Löw will es zunächst jedoch bei Anpassungen belassen, die schon gegen Frankreich erkennbar sein sollen. Er kündigte defensiver agierende Außenverteidiger an. Es soll „eine bessere Balance im Spiel“ geben zwischen Offensive und Defensive - ohne Umstellung auf eine Dreierkette in der Abwehr.

Einen Philosophiewechsel lehnt der Liebhaber des schönen Spiels kategorisch ab. „Das wäre kompletter Blödsinn. Ballbesitz, Dominanz, spielerische Elemente - diese Vision werden wir nicht eingraben“, bekräftigte Löw.

Er berichtete von ermutigenden Trainingseindrücken, die allerdings nicht überprüft werden konnten: Alle Übungseinheiten fanden wie früher im Geheimen statt. Nur verbale Botschaften drangen nach außen: „Ich habe das Gefühl, dass zwei, drei Sachen geändert werden und man das schon gegen Frankreich sehen wird“, sagte Kroos. Wen Löw in der Startelf zu der Achse um Neuer, der unverändert „unsere Nummer 1 ist“, sowie Kroos, Hummels, Boateng und Müller gesellt, verriet er nicht. Um gegen Frankreich defensiv zu bestehen, könnte er das Mittelfeld stärken.

Von den drei Neulingen ist der Hoffenheim Nico Schulz als einziger Linksverteidiger-Spezialist im Kader auf Anhieb ein Startkandidat. Aber auch das Leverkusener Talent Kai Havertz (19) und Abwehrspieler Thilo Kehrer (22) von Paris Saint-Germain sollen gegen Frankreich oder spätestens am Sonntag gegen Peru zum Einsatz kommen.

Von den wenigen Nicht-WM-Spielern darf auch Leroy Sané (22) auf eine neue Chance hoffen. Der Flügelstürmer von Manchester City, den Löw im Trainingslager aus dem WM-Kader gestrichen hatte, bekam vorab eine deutliche Ansage von Champions-League-Sieger Kroos: „Grundsätzlich ist er ein Spieler, der alles mitbringt, um absolute Weltklasse zu werden. Man hat aber das Gefühl, dass er gesagt bekommen muss, was zu tun ist, um das zu werden.“ Ein Comeback von Mesut Özil im DFB-Dress schloss Löw dagegen aus: „Das Thema ist abgeschlossen.“

„Favorit sind wir nicht“, bemerkte er zur Ausgangslage in der ausverkauften Münchner Allianz Arena. Die neuen Weltmeister „strotzen vor Selbstvertrauen“, weiß Julian Draxler, der unter anderem mit Jungstar Mbappé in Paris zusammenspielt. Der Ex-Schalker sieht die Franzosen als idealen Prüfstein, „um zu zeigen, dass wir immer noch mithalten können“.

Vor dem Neustart gelten aber vor allem diese Sätze von Kroos: „Man hat das Bedürfnis, die WM geradezurücken. Das Wichtigste ist die Umsetzung auf dem Platz.“

DIE VORAUSSICHTLICHEN AUFSTELLUNGEN:

Deutschland: Neuer (Bayern München/32 Jahre/79 Länderspiele) - Kimmich (Bayern München/23/32), Boateng (Bayern München/30/73), Hummels (Bayern München/29/66), Schulz (1899 Hoffenheim/25/0) - Goretzka (Bayern München/23/16), Gündogan (Manchester City/27/27), Kroos (Real Madrid/28/86) - Müller (Bayern München/28/94), Reus (Borussia Dortmund/29/34), Werner (RB Leipzig/22/17)

Frankreich: Areola (Paris Saint-Germain/25/0) - Pavard (VfB Stuttgart/22/12), Varane (Real Madrid/25/49), Umtiti (FC Barcelona/24/25), Hernandez (Atletico Madrid/22/12) - Pogba (Manchester United/25/60), Kanté (FC Chelsea/27/31) - Mbappé (Paris Saint-Germain/19/22), Griezmann (Atletico Madrid/27/61), Matuidi (Juventus Turin/31/72) - Giroud (FC Chelsea/31/81)

Schiedsrichter: Orsato (Italien)