Abschiedsspiel für Bastian Schweinsteiger Löw zu Schweinis Abgang: "Er hat das Team sehr geprägt"
Mönchengladbach. Spät am Abend holte Joachim Löw in den Katakomben des Borussia-Parks in Mönchengladbach zu einer Lobrede aus. Er war nach seinen Empfindungen zum Abschied von Bastian Schweinsteiger gefragt worden.
Der Bundestrainer nippte kurz an seinem Wasserglas und setzte dann ausgiebig und sehr bewusst an. Mit Schweinsteiger und Lukas Podolski, vormals „Schweini und Poldi“, habe er zwölf Jahre zusammengearbeitet. „Sie waren die Konstanten in meiner Amtszeit.“ Es war der letzte gemeinsame sportliche Abend mit Bastian Schweinsteiger. Löw hält den Zeitpunkt des Abschieds für richtig, aber natürlich war Wehmut aufgekommen.
„Ohne Bastian wären in den letzten Jahren diese vielen Erfolge nicht möglich gewesen, er hat das Team sehr, sehr geprägt. Was ich neben seinen fußballerischen Fähigkeiten geschätzt habe, ist seine Menschlichkeit und Ehrlichkeit.“ Auch er als Trainer und seinen Kollegen seien Schweinsteiger zu Dank verpflichtet. Man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass der durchaus angefasste Löw ohne seine einstigen Führungsspieler künftig ein bisschen weniger gerne Bundestrainer ist.
So ging das Rührstück im Borussia-Park für Schweinsteiger zu Ende. Am Ende warfen ihn die Mitspieler noch ein paar Mal in die Luft, wie es sonst das Privileg von spanischen und italienischen Meistertrainern ist. Neuer und Müller hatten ihn zuvor auf den Schultern in die Fankurve getragen. Die Fans in Mönchengladbach hatten doch noch einen äußerst würdigen Rahmen für Schweinsteiger geschaffen. Dann schlurfte das gesamte Team auf eine letzte Runde. Schweinsteiger ging noch einmal voran, seine Kollegen folgten in gebührendem Abstand. Aber sie folgten. Es war ein gutes Bild. Die letzten Emotionen sollten ihm allein gehören. Ein paar Flitzer drangen bis zum 32-Jährigen hervor, die er lächelnd abklatschte. Dann ging der pensionierte Nationalspieler zufrieden nach Hause.
„Dieser Tag gehört neben dem Gewinn der Weltmeisterschaft zu meinen emotionalsten Momenten.“ Ein schönes DFB-Kapitel war beendet. „Es war wichtig für ihn, dass er nicht mit einem verlorenen EM-Halbfinale, sondern mit so einem schönen Spiel die Karriere als Nationalspieler beendet“, vermutet der ehemalige Mitspieler Simon Rolfes. Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose hatte Löw 2014 seinerzeit ein ähnliches Angebot gemacht. Sie aber hatten ihre Karriere mit einem WM-Endspielsieg beendet- und wollten verständlicherweise kein vermeintlich unbedeutendes Testspiel mehr anfügen.
Aus Respekt vor dem scheidenden Kapitän hatte Löw den Nachfolger erst am nächsten Tag im Mannschaftskreis verbreitet. Der Überraschung könnte kaum kleiner sein. Wie schon häufiger in den letzten Monaten führt nun Manuel Neuer das Team dauerhaft aufs Feld. „Er übernimmt Verantwortung, er geht voran, dabei ist er ruhig und besonnen. Im Kreis des Teams ist er hoch angesehen, sein Wort hat Gewicht“, ließ Löw gestern mitteilen. Neuer ist der erste Torwart im Kapitänsamt seit Oliver Kahn, der bis 2004 die schwarz-rot-goldene Binde trug. Es ist eine salomonische Entscheidung des Bundestrainers. Mehrere Feldspieler wie Jerome Boateng, Mats Hummels oder Sami Khedira hatten ihr Interesse an der Aufgabe signalisiert. Löw umschifft so mögliche Dissonanzen im Team, in dem er die unumstrittene Nummer 1 im Tor auch zur unumstrittenen Nummer 1 in der Mannschaft macht. „Für mich ist diese Wahl nicht so wichtig“, urteilte Löw. „Wir haben mehrere Kapitäne in dieser Mannschaft.“
Der neue Kapitän führt nun am Sonntag in Norwegen an. In Oslo beginnt wieder der Ernst des Lebens, die WM-Qualifikation startet. Damit ist dann auch das Schon-Programm für die vielen EM-Fahrer vorbei, die am Mittwoch gegen die Finnen nur selektiv eingesetzt wurden. Die Mannschaft ist ein bisschen ausgedünnt vor der nächsten wichtigen Dienstreise. Kevin Volland brach sich die Mittelhand und fällt nach einer OP etwa zwei Wochen aus. Julian Draxler ist grippal geschwächt. So entließ Löw nur den guten Debütanten Niklas Süle zurück nach Hoffenheim.
Mit nur 16 Feldspielern fliegt das Team am Samstag nach Skandinavien. Es ist das erste Spiel ohne Bastian Schweinsteiger. Der Ex-Kapitän reiste gestern ab, fortan hat die Nationalmannschaft einen Fan mehr. „Ich werde mir das Spiel am Sonntag auf der Couch ansehen“, kündigte er an. Es war sein letzter Satz im DFB-Trikot.