Löws Oslo-Warnung: Quali-Start mit Käpt'n Neuer
Düsseldorf (dpa) - Joachim Löw hatte nach dem emotionalen Servus für Bastian Schweinsteiger keine Zeit mehr für Sentimentalitäten. Seinen neuen Kapitän präsentierte der Bundestrainer einfach schmucklos per Pressemitteilung.
„Für mich ist Manuel Neuer der logische Nachfolger von Bastian Schweinsteiger. Er bringt alles mit, was ich mir von einem Spielführer wünsche. Seine sportlichen Leistungen sind überragend, Manuel ist immer für die Mannschaft da, er ist ein Teamplayer und ein absolutes Vorbild“, verkündete Löw den Vollzug der für ihn einfachen, aber nicht so maßgeblichen Personalie.
Den Fokus hatte der DFB-Chefcoach nach dem 2:0 im Test gegen Finnland zunächst auf die große Aufgabe WM-Qualifikation gerichtet. Das Ziel der Fußball-Nationalmannschaft ist die historische Titelverteidigung 2018 in Moskau. Der erste unbequeme Gegner wartet schon am Sonntag (20.45 Uhr) in Oslo. „Norwegen ist gefährlich. Wir spielen so ein bisschen aus der kalten Hose heraus, weil die meisten erst einen Wettkampf haben, einen Bundesliga-Spieltag. Da ist es nicht immer ganz so einfach“, warnte Löw vor dem Auftaktspiel in der Gruppe C.
Dann wird Neuer erstmals als offizieller Kapitän die DFB-Auswahl mit der schwarz-rot-goldenen Binde anführen. „Für mich ist es eine große Ehre. Es macht mich stolz, Kapitän der Mannschaft zu sein. Wir wissen aber alle, dass wir auf dem Platz mehrere Führungsspieler benötigen, wenn wir Erfolg haben wollen. Die entscheidenden Dinge werden ohnehin im Mannschaftsrat besprochen und gemeinsam beschlossen“, sagte Neuer, ganz im Sinne des Löw'schen Führungsstils der flachen Hierarchien.
Nach der tränenreichen Basti-Party gegen die Finnen im Borussia-Park und einer kurzen Nacht musste Löw ohnehin erst einmal sein Personal neu sortieren. Der Plan, die hoch belasteten und gegen Finnland munter aufspielenden Silber-Jungs von Rio - Max Meyer, Niklas Süle und Julian Brandt - alle zur Erholung nach Hause zu schicken, war hinfällig geworden.
Nach dem Ausfall von Kevin Volland, der schon an seiner gebrochenen Mittelhand operiert wurde, beließ Löw die Youngster Meyer und Brandt im arg geschrumpften Aufgebot. Nur Defensivmann Süle reiste wie geplant zurück nach Hoffenheim. Da auch Emre Can (Knöchel) definitiv ausfällt und Julian Draxler wegen Grippe geschwächt ist, kann Löw personell kein Risiko mehr eingehen. Er hat nur noch 16 Feldspieler und drei Torhüter zur Verfügung.
„Aber wir werden eine gute Mannschaft haben. Und wir werden alles dafür tun. Jetzt beginnt die Vorbereitung für Norwegen“, versprach Löw noch in Mönchengladbach. Am Donnerstagmorgen setzte sich der 56-Jährige zum Start seiner möglicherweise letzten großen Titeljagd mit seinem Trainerstab im Hotel im Düsseldorfer Medienhafen zusammen, um die Lage zu beraten. Erst als die Personalfragen für Oslo geklärt waren, wurde Neuer in der Öffentlichkeit als Kapitän bestätigt.
„Im Kreis des Teams ist er hoch angesehen, sein Wort hat Gewicht. Wobei die Verantwortung weiterhin auf vielen Schultern liegt, ich erwarte und weiß, dass die Führungsspieler sich einbringen für die Mannschaft, auf und neben dem Platz“, formulierte Löw seine Ansprüche. Denn: Ein Fehlstart wie in der EM-Qualifikation soll unbedingt vermieden werden. Vor zwei Jahren verlor der Weltmeister in Polen das erste Auswärtsspiel auf dem holprigen Weg nach Frankreich.
Die gute Nachricht des Finnland-Spiels lautete: Die von Löw in die Startelf beförderten Nachwuchskräfte überzeugten. „Wir haben sehr hoffnungsvolle Spieler. Wir können uns auf die Zukunft freuen“, sagte er. Mit seinem Lob für die Talente will der Bundestrainer auch neue Reizpunkte im Kader setzen. Gerade Premieren-Torschütze Meyer bereitete dem Weltmeistercoach Freude: „Er macht immer die Bewegung in die Tiefe. Das finde ich gut. Er hat eine gute Technik, ein gutes Passspiel. Daher war das eine sehr gute Leistung von ihm“, sagte Löw.
„Nach jedem Turnier werden junge Spieler herangeführt. Das ist ein logischer Schritt, nichts Neues oder Verrücktes“, sagte der gegen Finnland eingewechselte Thomas Müller. Mehrere geschonte Stammkräfte wie Toni Kroos, Sami Khedira oder Mats Hummels werden in Oslo wie auch Müller wieder in der Startelf stehen. Auch Neuer spielte in Mönchengladbach nicht, in Oslo soll er wieder der Rückhalt sein.
Mesut Özil wurde für seinen 80. DFB-Einsatz eingewechselt und traf mit der von Lukas Podolski übernommenen Nummer 10 auf dem Rücken zum Endstand. Der Schwierigkeit der kommenden Aufgabe sind sich die überwiegend zum Saisonstart geschonten Weltmeister bewusst. „Mit einem Auswärtsspiel in Norwegen zu starten, ist nicht das Angenehmste“, mahnte auch Müller zu einer konzentrierten Vorbereitung vor dem Abflug Richtung Norden am Samstagmorgen.