Löws Probleme auf Weg zur EM
Köln (dpa) - Ein Jahr nach der WM ist ein Jahr vor der EM. Längst haben die Vorbereitungen auf die EM-Endrunde im kommenden Sommer in Frankreich begonnen, obwohl angesichts der noch nicht gesicherten Qualifikation im Lager des Fußball-Weltmeisters niemand konkret darüber sprechen möchte.
„Es wird nicht einfach“, bemerkte Bundestrainer Joachim Löw nur allgemein angesichts des Zeitplans, der vor allem die für ihn so wichtige Turnier-Vorbereitung wieder kompliziert gestaltet.
Am 14. Mai 2016 geht die Bundesliga zu Ende; eine Woche danach ist das DFB-Pokalfinale terminiert, am 28. Mai in Mailand steigt das Champions-League-Endspiel - und 13 Tage danach beginnt schon die EM. Das Ziel und den Wunsch, am 10. Juli des nächsten Jahres den EM-Pokal in den Pariser Nachthimmel zu stemmen, hat Weltmeister-Coach Löw längst formuliert. „Wenn man das Ultimative erreicht hat, kommt man in die Rolle, dass man es immer wieder bestätigen muss“, fasste sein ehemaliger Chef Jürgen Klinsmann - am Mittwoch mit den USA Testgegner - die übergeordnete Aufgabe für das DFB-Team zusammen.
Genau vor einem Jahr hatten Joachim Löw und seine WM-Helden die ersten Trainingseinheiten im inzwischen legendären Campo Bahia hinter sich - auch die Quartiersuche in Frankreich ist für den Bundestrainer wieder ein enorm wichtiger Punkt. „Zwei, drei Möglichkeiten“ haben Manager Oliver Bierhoff und dessen Organisationschef Georg Behlau inzwischen aufgetan, verriet Löw selbst.
Die „Bild-Zeitung“ berichtete von dem Favoritenort Évian-Les Bains direkt am französischen Ufer des Genfer Sees. Ein offizielles Teambasecamp hat der europäische Verband UEFA dort allerdings nicht verzeichnet. Aber auch das neu errichtete Campo Bahia war zunächst nicht auf der offiziellen WM-Quartier-Liste.
Das Jahr nach dem so lange ersehnten Triumph von Rio de Janeiro war für die deutsche Nationalmannschaft vor allem von viel Anerkennung und heftigen Titel-Nachwehen begleitet. „Der WM-Titel hat eine unglaubliche Euphorie ausgelöst, die auch angehalten hat. Das ist nachhaltig. Aber wir haben Zeit zum Luftholen gebraucht“, bemerkte Löw. „Viele waren ausgelaugt oder verletzt, haben schwer wieder in den Rhythmus gefunden. Bei den Dortmundern kamen noch andere Probleme dazu“, begründete Löw den Stotterstart in die EM-Ausscheidung mit einer Niederlage in Polen und einem Remis zu Hause gegen Irland.
„Leistungsträger gingen, einige neue Spieler kamen nach. Das war nicht ganz einfach“, erinnerte der DFB-Chefcoach. Für die zurückgetretenen Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker holte Löw die Neulinge Karim Bellarabi (Bayer Leverkusen), Jonas Hector (1. FC Köln) und jetzt für die beiden letzten Saisonspiele Patrick Herrmann (Borussia Mönchengladbach) in seinen Kader. „Es gab mit den Rücktritten schon einen natürlichen Umbruch. Man musste viel probieren. Aber nach einem halben Jahr habe ich gemerkt, dass die Spieler wieder gierig sind“, sagte Löw.
In der neuen Saison beginnt für das DFB-Team „die heiße Phase, da möchte ich ein bisschen frisches Blut einfließen lassen“, verriet der Bundestrainer bereits. Vor allem Talente wie Weltmeister Matthias Ginter (Dortmund), der Wolfsburger Maximilian Arnold, Kevin Volland (Hoffenheim) oder auch der zum FC Bayern wechselnde Joshua Kimmich könnten neue Impulse geben. „Von der U21-EM in Tschechien erwarte ich wichtige Erkenntnisse. In Richtung EM würde es uns gut tun, wenn zwei, drei Spieler nachrücken können“, unterstrich Löw.
Andere Spieler wie Ilkay Gündogan oder Lukas Podolski müssen zunächst ihre persönliche Zukunft klären. „Ich habe mit vielen Spielern aktuell gesprochen und mich informiert, mit Ilkay, auch mit Lukas, um zu wissen, wie sie planen“, berichtete Löw. Vor allem der nun 30 Jahre alte Routinier Podolski ist nach einem sportlich unbefriedigenden Jahr beim FC Arsenal und Inter Mailand gefordert.
„Lukas muss jetzt das Gespräch mit Arséne Wenger suchen und fragen, wie seine Planungen sind. Sonst kann ich ihm nur ernsthaft raten, einen Wechsel in Betracht zu ziehen“, sagte Löw deutlich. Sami Khedira hat mit seinem Wechsel von Real Madrid zu Juventus Turin bereits Konsequenzen gezogen: „Es ist ja bekannt, dass ich keine einfache Saison hinter mir habe, dem musste ich Rechnung tragen.“ Größere Sorgen macht sich der Bundestrainer trotz einiger Probleme zur Halbzeit zwischen WM und EM nicht. „Wir haben zwar in der EM-Qualifikation den einen oder anderen Punkt liegenlassen, aber das werden wir im Herbst wettmachen. Es gibt keinen Grund, unruhig zu sein.“ Vom Titel in Rio sei viel geblieben: „Deutschland wird überall mit anderen Augen gesehen, international ist der Respekt enorm groß. Deutschland wird nicht mehr gleichgesetzt mit Kämpfen und am Ende Gewinnen. Das Nationalteam steht für Spielkultur, für unglaublichen Teamgeist, für Integration.“