Maulkorb oder Psychologe: Debatte um Schiri-Schutz

Berlin (dpa) - „Maulkörbe“ für Spieler, Hilfe von Psychologen und TV-Seminare: In der Debatte um den Schutz von Bundesliga-Referees werden immer neue Lösungsvorschläge diskutiert.

Nach dem Suizidversuch von Schiedsrichter Babak Rafati haben sich auch Philipp Lahm, Ottmar Hitzfeld und Oliver Kahn zu Wort gemeldet. Am Freitag will sich der Deutsche Fußball-Bund bei seiner Präsidiumssitzung „intensiv mit der aktuellen Situation“ befassen. Der frühere Spitzenreferee Markus Merk warnte indes, seine Zunft „in Watte zu packen“.

Ausgelöst hatte die Diskussion das Drama um Rafati, der sich kurz vor dem Bundesliga-Spiel Köln gegen Mainz, das er leiten sollte, das Leben nehmen wollte. Elf Tage danach musste er am Mittwoch noch immer stationär behandelt werden.

Sein Anwalt hatte erklärt, der „mediale Druck in Kombination mit der ständigen Angst, Fehler zu machen“ seien für den Schiedsrichter zur Belastung geworden. Prompt wurden Fragen laut nach den Gründen für Versagensängste und Burnout im Profi-Fußball. Aber wie kann man den Schiris helfen? Und ist das überhaupt nötig?

Nein, sagt einer, der es eigentlich wissen muss. Der dreimalige Weltschiedsrichter Merk hält Druck auf Bundesliga-Referees für selbstverständlich. Er ließ sich mit der Aussage zitieren: „Es ist ein Privileg in der Bundesliga zu pfeifen. Wer es nach da oben geschafft hat, braucht kein Mitleid.“ Die Debatte hält er vielmehr für Aktionismus.

Der Sportpsychologe Prof. Ralf Brand von der Universität Potsdam stimmt dem zumindest teilweise zu. „Die, die dort pfeifen, sind da, weil sie die Fähigkeiten bereits mitbringen“, meint der Experte. „Es gehört auch zur Rolle der Schiedsrichter dazu, Druck aushalten zu müssen. Sie sind auch ein bisschen dafür da, dass man sie attackieren darf.“

Ex-Nationaltorwart Kahn plädiert unterdessen für einen vorläufigen „Maulkorb“ für Fußballer und Funktionäre. „Im Handball dürfen sich seit Saisonbeginn am Spiel beteiligte Personen erst 48 Stunden nach Abpfiff offiziell über die Leistungen der Unparteiischen äußern“, schreibt Kahn im Internetportal „eurosport.yahoo.de“. Ein „Maulkorb“ diene auch „dem Selbstschutz der Spieler und Funktionäre, die nach dem Spiel ihren Emotionen freien Lauf lassen“.

Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm will die Referees häufiger in Fernsehsendungen sehen. Dort könnten sie genau erklären, was sie warum gepfiffen hätten, schlug der Bayern-Profi vor.

Immer wieder werden zudem Forderungen nach einem Videobeweis und einer Profi-Ausbildung für die Unabhängigen laut. Viele halten vor allem psychologische Betreuung für nötig, darunter der Schweizer Nationalcoach Hitzfeld. „Wir als Trainer können mit den Spielern darüber sprechen“, sagte Hitzfeld. Schiris hätten außerhalb der Familie jedoch niemanden.

„Es wäre der völlig falsche Weg, davon auszugehen, dass jeder Schiedsrichter einen Sportpsychologen braucht“, sagt Experte Brand. Wichtig sei aber, dass es schon frühzeitig Angebote für Unterstützung in diesem Bereich gebe.

Welche Lösungsansätze der DFB thematisiert, ist unterdessen offen. DFB-Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel sagte der „Bild“-Zeitung, er „kenne keinen Personenkreis, der höherem Druck ausgesetzt ist als Bundesligaschiedsrichter“. DFB-Vertrauensmann Rainer Domberg sieht das hingegen nicht als entscheidendes Problem: „Es gab bisher noch niemanden, der sich über den Druck oder den Stress beklagt hat.“