Özil & Co. holen „Bleus“ von Wolke sieben

Paris (dpa) - Betrübt und mit feuchten Augen sprach Torwart und Kapitän Hugo Lloris von „Enttäuschung“ und „Frustration“, FC-Bayern-Star Franck Ribéry hüllte sich in Schweigen. Bei der 1:2-Heimpleite gegen Deutschland wurde die französische Fußball-Nationalelf unsanft von Wolke sieben geholt.

Viel von der Moral, die im Herbst mit den Prestigeerfolgen bei Weltmeister Spanien (1:1) und in Italien (2:1) errungen worden war, scheint vor dem entscheidenden WM-Qualifikations-Rückspiel am 26. März gegen die Spanier dahin zu sein. „Die geweckten Hoffnungen verschwanden in einer Wolke von Pfiffen“, schrieb die Zeitung „Le Monde“ in Anspielung auf die Zuschauerproteste im Stade de France. „Deutsch-Stunde!“, titelte das Sportblatt „L'Équipe“ auf Seite eins.

In der „Grande Nation“ musste man sich eingestehen, dass die Gäste deutlich besser waren und dass der Weltmeister von 1998 - anders als viele gemeint hatten - noch nicht wieder zur Weltspitze gehört. „Die Bleus haben gegen Deutschland ihre Grenzen gezeigt“, schrieb das Portal „20Minutes“, während „L'Équipe“ von einem „Dämpfer“ sprach und die Zeitung „Le Figaro“ feststellte, man habe gemerkt, „wie lang der Weg bis zu den höheren Rängen“ noch sei. „In einigen Spielpassagen hätte man gestern das Schlimmste befürchten müssen, wäre Spanien der Gegner gewesen“, klagte „Le Parisien“. Das Blatt kritisierte Real-Madrid-Stürmer Karim Benzema, weil der seit 839 Länderspiel-Minuten nicht mehr getroffen hat. Zudem müsse die internationale Tauglichkeit einiger Spieler angezweifelt werden, hieß es.

Die Schützlinge von Joachim Löw wurden derweil in höchsten Tönen gelobt. „Die technische Qualität von (Mesut) Özil und (Sami) Khedira hat mich tief beeindruckt“, räumte der frühere Équipe-Mittelfeldmann Alain Giresse ein. Der Europameister von 1984 und heutige Trainer von Senegal fügte an, das deutsche Team sei „sehr gut“. Aber vor allem Özil begeisterte die Franzosen. Der Regisseur habe „Köpfe verdreht“ und die Gegner „verrückt“ gemacht, schrieb „L'Équipe“. Nicht nur die Medien, auch die französischen Profis und Tricolore-Trainer Didier Deschamps zollten dem Real-Madrid-Star Anerkennung. „Man kann ihm kaum den Ball abnehmen. Er ist in Topform“, staunte Deschamps. Lloris meinte: „Was für ein Spieler!“

Nach der Schlappe haben die Franzosen nun eineinhalb Monate Zeit, um vor den WM-Qualifikationsspielen daheim gegen Georgien (22. März) und Spanien (26.) den Kopf wieder hochzukriegen. „Wir müssen vorne schlagkräftiger sein. Und die Fehler vermeiden, die wir heute Abend gemacht haben“, gab Deschamps als Marschroute aus. Inmitten der allgemeinen Tristesse fand Torschütze Mathieu Valbuena (28), einer der Besten gegen das DFB-Team, die richtige Antwort: „Das war kein Rückschlag. Wir müssen Lehren ziehen. Lieber ein Testspiel verlieren und die Quali-Duelle gewinnen. Wir sind trotz der Niederlage auf gutem Wege“, sagte der Olympique-Marseille-Flügelflitzer kämpferisch.

Die Nachrichtenagentur dpa hat die französischen Pressestimmen zum Länderspiel Frankreich-Deutschland gesammelt:

„L'Équipe“: „Deutschstunde. Trotz der Klasse des Duos Ribéry-Valbuena mussten sich die Bleus dem Talent und der physischen Frische der Nationalmannschaft beugen.“

„Le Figaro“: „Zurück auf dem Boden. Die Bleus sind über einen Gegner gestolpert, der stärker und besser organisiert war. Die deutsche Mannschaft hat von Anfang an mit effizientem Pressing und flüssiger Ballzirkulation dominiert.“

„Le Parisien“: „Frankreich wird Opfer des deutschen Realismus. Nach einem Unentschieden gegen Spanien und einem Sieg gegen Italien haben sich die Bleus gestern Abend einem Gegner gebeugt, der einen Tick besser war.“