Per Mertesacker im Interview: „Ich bin kein Pazifist des Strafraums“
Per Mertesacker über die Krise des FC Arsenal und harte Konkurrenz in der Nationalelf.
London. Man sollte sich genau überlegen, was man sich wünscht — es könnte in Erfüllung gehen. Per Mertesacker spielt nach seinem Wechsel von Werder Bremen seit anderthalb Jahren bei seinem Traumverein, dem FC Arsenal. Allerdings durchleben die „Gunners“ seither eine Krise. Statt mit Stars wie Thierry Henry oder Cesc Fabregas spielt er mit einigen noch namenlosen Akteuren zusammen. Die Mannschaft hat derzeit große Mühe, die Qualifikation für die Champions League zu erreichen. Zu allem Überfluss haben Fans und Medien Mertesacker als einen der Schuldigen für die schlechten Ergebnisse ausgemacht.
Per Mertesacker, der „Spiegel“ schrieb, Sie seien der „Pazifist des Strafraums“. Sind Sie in England härter geworden?
Mertesacker: Nein. Denn gerade hier gilt: Je mehr Standardsituationen man verursacht, desto mehr Tore kassiert man. Deshalb versuche ich immer noch, ohne Fouls zurechtzukommen. Außerdem habe ich Lust, richtig zu stehen.
Wie kommt es denn, dass Sie vor allem in Ihrer ersten Zeit beim FC Arsenal oft nicht richtig standen?
Mertesacker: Die Umstellung war nicht leicht, ich bin ja während der laufenden Saison hierher gewechselt. Dann hat es seine Zeit gebraucht, mich an die Mitspieler, die Gegner, die Stadien und den englischen Fußball überhaupt zu gewöhnen. Es fällt einem nun mal nicht alles zu, manches muss man sich auch hart erarbeiten.
Wäre es nicht schöner gewesen, vor fünf Jahren mit Männern wie Henry oder Fabregas beim FC Arsenal zu spielen?
Mertesacker: Moment mal, unser Kader ist kein Trümmerhaufen. Später kann ich vielleicht mal sagen: Ich habe mit Jack Wilshere und Theo Walcott zusammen gespielt.
Per Mertesacker über seine Rolle in der Nationalelf
Aber es muss doch bitter sein, wenn jemand wie Robin van Persie den Verein verlässt.
Mertesacker: Ohne Frage. Zudem ist er auch noch zu Manchester United gewechselt, einem unserer Hauptkonkurrenten. Da spielen die beiden Top-Torschützen der letzten Saison zusammen, van Persie und Wayne Rooney. Aber dafür wird bei uns wieder jemand nachkommen, so wie es immer war. So ist Arsenal.
Ihr Trainer Arsène Wenger denkt prozessual, aber wann mündet der Prozess endlich mal wieder in einen Titel?
Mertesacker: Ich weiß, dass Titel wichtig sind. Aber das verbietet einem doch nicht, auch mit einem vierten Platz zufrieden zu sein. Gerade wenn man bedenkt, dass wir es mit Gegnern zu tun haben, die über andere finanzielle Mittel verfügen, wie der FC Chelsea oder Manchester City.
Was machen Sie im Sommer 2014?
Mertesacker: Da habe ich eine Reise nach Brasilien geplant. Da soll ja eine WM sein, habe ich gehört.
Bei der EM 2012 saßen Sie nur auf der Bank. Wie war das?
Mertesacker: Eine absolut andere Situation.
Eine schlimme Situation?
Mertesacker: Nein. Im Nachhinein war ich sogar ganz froh, das Geschehen mal aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Das glauben wir Ihnen nicht.
Mertesacker: Dann lassen Sie mich das präzisieren: Ich habe gelernt, wie auch ein Ergänzungsspieler der Mannschaft helfen kann, indem er die richtigen Impulse setzt. Das war eine Erfahrung, die mir bis dahin fehlte. Und ich hatte dadurch den Vorteil, ausgeruht in die neue Saison mit Arsenal zu gehen.
Wie hat Joachim Löw seine Entscheidung mitgeteilt?
Mertesacker: Es gab kein Kamingespräch, bei dem er mich trösten musste. Er hat nur das gesagt, was ich selbst wusste: Mir fehlte die Spielpraxis. Und da wir eine sehr hohe Leistungsdichte haben, hatte ich geahnt, dass Mats Hummels den Vorzug erhalten würde. So ist es im Fußball: Man kann nicht immer nur an der Ananas lecken.
Beschäftigen Sie sich mit den deutschen Nachwuchsmannschaften, etwa der U21?
Mertesacker: Ich habe auf dem Schirm, wer da spielt.
Das sind die Jungs, die Sie eines Tages aufs Altenteil schicken werden.
Mertesacker: Klar. Es ist wichtig, dass man das akzeptiert. Ich habe keine Lust auf unrühmliche Streitereien.
Sie meinen den verkorksten Abgang von Michael Ballack.
Mertesacker: Wenn Sie das so verstehen wollen, bitte. Aber ich kann nur für mich sprechen. Ich muss erkennen, wann meine Zeit vorbei ist.
Aus dem Kader von 2006 sind nun noch Sie, Schweinsteiger, Podolski, Lahm und Klose übrig. Braucht die „Generation Sommermärchen“ noch einen Titel, um ihre Karriere zu vollenden?
Mertesacker Das würde das mediale Bild abrunden. Für mich sind Titel zwar erstrebenswert, aber ich weiß, dass sie nicht alles sind.
“ Kasachstan - Deutschland Freitag, 18.15 Uhr/ZDF