Fifa-Chef Sepp Blatter führt den Fußball in die Moderne. Man durfte wahrlich nicht damit rechnen, dass sich dieser Satz noch einmal bewahrheiten würde. Im Fall der Torlinien-Technologie aber hat der Weltfußballverband Fifa tatsächlich einmal die Zeichen der Zeit erkannt — und darf sich nun für einen Moment als fortschrittlich preisen lassen.

In der Tat nämlich ist mit dem neuen System viel gewonnen — vorausgesetzt es funktioniert reibungslos. Die Willkür im Fußball ist um ein gutes Stück reduziert worden, die Sicherheit wächst. Dort, wo mit Entscheidungen eines Einzelnen Millionen verdient werden, ist dem geplagten Schiedsrichter nun eine technische Hilfe anheim gestellt. Wer da nach dem Warum fragt, dem sei gesagt: Weil man es kann. Die Kamera erhöht die Chance auf einen fairen Ausgang des Spiels. Und ist in anderen Sportarten längst unumstritten. Wer etwa mag sich denn heute noch ernsthaft über das elektronische Auge im Tennis aufregen?

Wembley hin oder her — der Fußball ist in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte sehr gut ohne Tor-Technik auskommen. Der Sport lebt vor allem von seinem Tempo. Spielunterbrechungen, in denen Schiedsrichter mit Hilfe der Technik die Torfrage klären müssen, können da nur kontraproduktiv sein.

Zumal die wirklich strittigen Tore bei großen Turnieren an einer Hand abzuzählen sind. Die Frage ist auch, welche Dämme die Fifa mit der Einführung der neuen Technik einreißt. Denn nicht nur an der Torlinie entstehen Fehlentscheidungen der Schiedrichter. Abseits, Handspiel, versteckte Fouls, auch hier kann der Ruf nach technischen Hilfsmitteln folgen — und das Spiel weiter entschleunigen.

Wer ein amerikanisches Baseballspiel sieht und im Stadion nach Stimmung sucht, wird schnell feststellen, dass es sie nicht gibt. Nach der zehnten Unterbrechung ist die Konzentration der Fans nicht mehr beim Spiel. Das sollte sich der Fußball wirklich nicht antun.