Rafati macht Fandel mitschuldig für Suizidversuch
Frankfurt/Main (dpa) - Eineinhalb Jahre nach seinem Suizidversuch ist der frühere Bundesliga-Referee Babak Rafati mit heftigen Vorwürfen gegen den Schiedsrichter-Chef des Deutschen Fußball-Bundes an die Öffentlichkeit gegangen.
Der 42-Jährige machte den Kommissionsvorsitzenden Herbert Fandel mitschuldig an der Tragödie. Ihm sei „übel mitgespielt worden“, sagte der Hannoveraner in einem Interview des Magazins „Stern“. Fandel wehrte sich vehement gegen die Anschuldigungen.
Von Rafati erscheint nächste Woche im Kösel-Verlag ein Buch mit dem Titel: „Ich pfeife auf den Tod! Wie mich der Fußball fast das Leben gekostet hat.“ Vor dem Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 am 19. November 2011 hatte der Schiedsrichter in einem Kölner Hotel versucht, sich das Leben zu nehmen. Als Auslöser gab er später Depressionen an.
„Als Herbert Fandel mein neuer Chef wurde, habe ich absolut keine Rückendeckung mehr bekommen. Ich war es gewohnt, sachliche Kritik zu erfahren, aber keine aus meiner Sicht persönlichen Verletzungen“, so Rafati heute. Er habe nicht einmal Zuspruch erfahren, dafür nur „Kälte“ und „Unerbittlichkeit“ durch Fandel erlebt. „Diese fehlende Wertschätzung für mich als Mensch, dieser Vertrauensentzug vom Chef, der auch eine Fürsorgepflicht hat. Das war entleerend“, erklärte Rafati weiter.
Fandel reagierte betroffen und mit großem Unverständnis auf die Reaktion des früheren FIFA-Referees, der insgesamt 84 Bundesligaspiele und 102 Zweitligapartien geleitet hatte. „Die Sichtweise und die Vorwürfe von Babak Rafati kann ich in keinster Weise nachvollziehen und sie schockieren mich. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich Kenntnis über sein seelisches Krankheitsbild. Und niemand der Schiedsrichter hat jemals mir darüber Andeutungen gemacht“, sagte der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission der Nachrichtenagentur dpa.
Er habe Rafati wie jeden anderen Unparteiischen behandelt - nach dem Leistungsprinzip. „Seine Leistungen erfüllten über einen langen Zeitraum nicht die Anforderungen. Aus diesem Grund war er heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt“, erklärte Fandel. In der Tat war Rafati damals bei Spielern und Fans stark umstritten. Fandel weiter: „Wir in der Schiedsrichter-Führung haben sehr häufig über Babak Rafatis Leistungen gesprochen, und ich persönlich habe mich sehr um ihn bemüht. Mit keinem anderen Schiedsrichter habe ich so oft gesprochen.“
Unterstützung erhielt Fandel von Hellmut Krug, Vertreter des Ligaverbandes in der Schiedsrichter-Kommission. „Gerade auch in schwierigen Situationen sind wir jederzeit für jeden Unparteiischen erreich- und ansprechbar. Das war auch bei Babak Rafati nicht anders“, sagte Krug. „Deshalb kann ich die Vorwürfe in Richtung Herbert Fandel überhaupt nicht verstehen, denn er hat intern immer die Hand über ihn gehalten.“
Rafatis Suizidversuch hatte für viel Aufsehen im Profifußball gesorgt und nach der tödlichen Tragödie von Nationaltorwart Robert Enke zuvor eine erneute Debatte über den Leistungsdruck ausgelöst. Das Bundesliga-Spiel in Köln war damals abgesagt worden, der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger war in Rafatis Hotel geeilt, um sich sachkundig zu machen und eine Pressekonferenz abzuhalten.
Niemand aus der Führungsriege des DFB habe versucht, persönlich mit ihm Kontakt aufzunehmen, auch Zwanziger nicht, bemängelte Rafati jetzt. „Das hat mich im Nachhinein extrem aufgewühlt. Das hat mir gezeigt: es hat sich eben doch nichts bewegt.“ Der Bankkaufmann hatte im Mai 2012 seine Schiedsrichter-Karriere für beendet erklärt.