Sportjurist: Ticketverbot löst Problem nicht
Köln (dpa) - 2500 Sitz- und Stehplätze könnten im Stadion von St. Pauli für die Fußball-Zweitliga-Partie gegen Hansa Rostock am 22. April verwaist sein. Der Grund: Die Polizei fürchtet gewalttätige Fan-Ausschreitungen.
Deshalb darf der Verein den Gästen keine Tickets verkaufen, wie das Verwaltungsgericht in Hamburg bestätigte. Das Sicherheitsproblem sei damit allein nicht in den Griff zu bekommen, meint der Sportjurist Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule in Köln im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Welchen Sinn macht es, ein solches Ticketverkauf-Verbot auszusprechen, wenn die Hansa-Fans vermutlich dennoch nach Hamburg reisen werden?
Nolte: „Das Gericht hat die behördliche Entscheidung rechtlich geprüft. Ob es auch taktisch klug ist, allen Fans keine Karten zu verkaufen, steht auf einem eher sicherheitspolitischen Blatt. Generell würde ich dieser Entscheidung vom Verwaltungsgericht Hamburg nicht zu viel Gewicht beimessen. Ich glaube, dass man mit einer einzelnen Gerichtsentscheidung das komplexe Sicherheitsproblem nicht in den Griff bekommen wird. Denn hinter den Ausschreitungen stecken gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Probleme. Denken Sie etwa an politische Gesinnung, Rassismus oder Arbeitslosigkeit. Fußball ist nicht die Ursache, sondern das Brennglas dieser Probleme. Mit Verboten allein kann man diesen Problemen nicht Herr werden.“
Nach welchen Kriterien entscheidet ein Gericht, wie gefährlich eine Partie ist?
Nolte: „Das Gericht muss die konkrete Gefahrenprognose der Hamburger Sicherheitsbehörden für das einzelne Fußball-Spiel überprüfen. In diesem Zusammenhang schaut es auch darauf, was bei den Begegnungen beider Vereine in der Vergangenheit passiert ist. Konkret hantierten die Fans bei vergangenen Partien zwischen Rostock und St. Pauli mit Pyrotechnik, Reizgas, Flaschen und Steinen. Zwischen vermummten Hooligans kam es zu Ausschreitungen.“
Die Liga klagt, die Vereine werden in ihren Geschäften eingeschränkt. Wer muss den finanziellen Schaden durch die nicht verkauften Tickets tragen?
Nolte: „Es kommt darauf an: Erweist sich das Verbot auch im weiteren Instanzenzug als rechtmäßig, so dürfte St. Pauli den finanziellen Schaden tragen. Wenn das Oberverwaltungsgericht aber entscheiden würde, dass der Beschluss rechtswidrig war, könnte St. Pauli von der Stadt Hamburg Ersatz des Schadens verlangen. Der entstünde dadurch, dass es dem Verein beispielsweise nicht mehr möglich wäre, die Karten rechtzeitig an den Mann oder an die Frau zu bringen.“
Was bedeutet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg für weitere Fußball-Spiele?
Nolte: „Der Beschluss ist nur auf diesen konkreten Einzelfall bezogen, also auf den 22. April 2012 und die Partie von St. Pauli gegen Hansa Rostock. Daraus lässt sich aber keine Richtung für nachfolgende Gerichtsentscheidungen ablesen. Die Entscheidung ist ohne Bindungswirkung. Einen sogenannten Präzedenzfall gibt es also im rechtlichen Sinne nicht.“