Nationalmannschaft Thomas Müller: "Niederlagen werden uns nicht aus der Bahn werfen"
Düsseldorf. Der bemerkenswerteste Satz des Tages in Düsseldorf sprach am Mittwoch der Fußball-Nationalspieler Thomas Müller. „Wir sind die Auslese, und die Besten wollen immer gewinnen, sonst können sie nicht gut schlafen“, sagte Müller und öffnete einen Spalt, um in die trainierten Gedankenvorgänge von Spitzenfußballern Einblick gewinnen zu können.
Müller hatte das gesagt, um zugleich deutlich zu machen, dass man „als Teil der Auslese“ auch mit Misserfolgen in den anstehenden Test-Länderspielen umgehen könne. „Wenn wir etwas ausprobieren, können wir auch Niederlagen verkraften. Das wird uns nicht aus der Bahn werfen. Wir sammeln uns und stellen uns auf eine neue Aufgabe ein.“ Sollte heißen: Leute, macht nicht so einen Wind um die Länderspiele gegen Spanien am Freitag in Düsseldorf (20.45 Uhr/ARD) und gegen Brasilien am Dienstag in Berlin (20.45 Uhr/ZDF), ein bisschen Vertrauen, bitte, wir machen das schon. Und wenn nicht jetzt, dann eben später, bei der Weltmeisterschaft in Russland.
Müller ist lange dabei, im März 2010 debütierte der 28-Jährige in München gegen Argentinien, verlor dabei mit der DFB-Elf 0:1 und führte eben jene Argentinier nur wenige Monate später bei der WM in Südafrika beim 4:0 vor. Es war wohl so etwas wie ein Erweckungserlebnis für einen wie Müller, der nie den Anschein macht, als führe die durchaus vorhandene Reflexionsfähigkeit jemals zu solchen Zweifeln, wie sie zuletzt sein Weltmeister-Kollege Per Mertesacker geäußert hatte. Müller bewährt sich Lockerheit, das geht so weit, dass er einen Reporter, der ihn nach den Fähigkeiten der spanischen Fußballer befragt, gleich mal humorvoll in die Pflicht nimmt: „Wie sehen Sie das denn? Wissen Sie das nicht? Schlecht recherchiert?“ Man einigte sich: Spanien ist noch weltspitze. „Sie werden auch in Russland zu den Favoriten gehören“, sagte DFB-Manager Oliver Bierhoff.
Müller jedenfalls hat seit jenem Spiel 2010 oft erfahren, dass Testspiele „gegen starke Teams wie Spanien und Brasilien von der Öffentlichkeit nochmal anders wahrgenommen werden und Auftrieb geben können“. Aber eben auch, dass doch erst bei der WM gegessen wird. Eine Haltung, die in der Nationalmannschaft Bundestrainer Joachim Löw mit viel Selbstbewusstsein für die direkte WM-Vorbereitung stets vorgelebt hat - auch wenn er dafür immer mal wieder Kritik einstecken musste.
Was auch immer passiert am Freitag gegen Düsseldorf: Manuel Neuer wird nicht dabei sein. Der Torwart, dem die Deutschen vertrauen, war beim Medienauftritt von Bierhoff und Müller vor allem Thema, weil Torwartexperte Oliver Kahn am Morgen Zweifel geäußert hatte, dass Neuer nach seinem Fußbruch überhaupt noch Thema für die WM sein könne. Neuer selbst tauchte am Dienstag in Düsseldorf auf, machte einige Marketingtermine mit, begrüßte planmäßig Tross und Kameraden - und rauschte wieder ab, als die Kollegen am Mittwoch das Training in Düsseldorf aufnahmen. Was ist denn nun mit Neuer? „Manu ist nie abzuschreiben", sagte Bayern-Kollege Thomas Müller. „Ich sehe ihn ja etwas öfter als ihr.“ Es war auch ein Einwurf des stellvertretenden Kapitäns an die wachsende Zahl derjenigen, die an Neuers rechtzeitiger Rückkehr zweifeln. Wie eben Kahn. „Irgendwann wird es auch für den Trainer schwierig", sagte Kahn zu den WM-Plänen von Bundestrainer Joachim Löw, der auswählen und nominieren muss, Alternativen für Neuer stärken sollte - zumal Marc André ter Stegen in der Fußball-Nationalmannschaft nach schwierigen Jahren mit einigen Fehlern erst in der jüngeren Zeit zu Ansehen kommt - und Vertrauen genießt.
Neuer arbeitet nach einem dritten Mittelfußbruch mit anschließender Operation derweil weiterhin individuell, ein Ende ist noch nicht absehbar. Bierhoff nannte erstmals ein Zeitfenster: „Wir hoffen und wünschen es uns, dass er zu hundert Prozent belastbar ist, wenn wir nominieren. Wir sind da positiv." Löw wird den vorläufigen WM-Kader am 15. Mai bekanntgeben. Die Situation ist auch grundsätzlich anders als vor der WM 2014, als Neuer ebenfalls spät fit wurde, zuvor aber nicht so lange ausgesetzt hatte. „Als Welttorhüter kann er sich das über das Training erarbeiten, davon bin ich überzeugt“, sagte Bierhoff. Neuer hat sein letztes Länderspiel am 11. Oktober 2016 beim 2:0 gegen Nordirland bestritten. Erst während des WM-Trainingslagers in Südtirol könnte er am 2. Juni in Klagenfurt gegen Österreich wieder im deutschen Tor stehen.“ Müller würde sagen: reicht.