Kaltstart ohne Werner Tüftler Löw zwischen „Vision“ und „Mission“

Kopenhagen (dpa) - Joachim Löw rutschte im zweiten Stock des Brøndby Stadions nachdenklich auf seinem Stuhl herum und spielte nach langer Bedenkzeit dann doch den Geheimnisvollen.

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Aufstellung? Kapitän? Führungskräfte? Nein, der Bundestrainer wollte vor dem kniffligen „Kaltstart“ seines unerfahrenen Perspektivteams gegen Dänemark am Dienstagabend (20.45 Uhr) in Kopenhagen keine Namen preisgeben. „Sonst werden Sie mir das um die Ohren hauen, wenn es anders kommt“, sagte Löw bei seiner Pressekonferenz schmunzelnd zu den Reportern.

Löw ist ja selbst gespannt, wie sich die Fußball-Nationalmannschaft ohne ihr Gerüst aus etablierten Führungskräften wie Toni Kroos oder Mats Hummels im ersten Probelauf für den Confederations Cup in Russland präsentieren wird. „Das Spiel wird eine Überraschung für uns. Wir haben nur eine Trainingseinheit“, erläuterte Löw. Auch die Spieler sind gespannt. „Es ist ein schwieriges Match. Es ist für mich das erste Mal mit nur einem Tag Vorbereitung“, erklärte Weltmeister Shkodran Mustafi, einer der möglichen deutschen Kapitäns-Anwärter.

Aus dem Kurzurlaub direkt in den Wettkampf lautet die Aufgabe, die es möglichst gut zu lösen gilt. Mit dem ungewöhnlichsten Turnierkader seiner Amtszeit flog Löw am Montag aus Düsseldorf nach Kopenhagen. An Bord fehlte der erkrankte Leipziger Timo Werner, der aber im Laufe der Woche zum aktuell nur 21-köpfigen DFB-Kader stoßen soll.

„Die erste Woche nehmen wir als Vorbereitung auf den Confed Cup und um uns kennenzulernen“, sagte Löw vor dem Start in ungewisse vier Wochen mit bis zu sieben Länderspielen. „Das Spiel in Dänemark ist eine Standortbestimmung, wo stehen die Spieler nach zwei Wochen Pause.“ Bevor es nach Russland geht, folgt am Samstag noch ein WM-Qualifikationsspiel in Nürnberg. „Gegen San Marino werden wir gewinnen“, sagte Löw - auch mit einem uneingespielten Team. Der freiwillige Verzicht auf die Topspieler ist ein kalkuliertes Risiko.

Im sonnigen Kopenhagen warb der dänische Verband am Montag auf Plakaten noch mit Weltmeister Mesut Özil um Zuschauer für das Jubiläumsspiel 25 Jahre nach dem EM-Titelgewinn gegen den damaligen Finalgegner Deutschland. Zu sehen bekommen die dänischen Fans bei der Neuauflage aber höchstens einen „Weltmeister light“.

Julian Draxler (Paris St. Germain), Matthias Ginter (Borussia Dortmund) und Mustafi (FC Arsenal) sind die einzigen Titelgewinner von Rio 2014, die im Aufgebot stehen. Dafür sind gleich sieben Länderspieldebütanten dabei: Neben den spät berufenen Routiniers Sandro Wagner (Hoffenheim) und Lars Stindl (Gladbach) noch Marvin Plattenhardt (Hertha BSC), Kerem Demirbay (Hoffenheim), Amin Younes (Ajax Amsterdam) und Torwart Kevin Trapp (Paris St. Germain). Löw verzichtete auf eine Nachnominierung für Leroy Sané (Nasen-OP).

Die Spieler hatten für die Zeit seit dem Bundesliga-Ende persönliche Trainingspläne erhalten. Beim Aufgalopp gegen Dänemark wird Löw viel improvisieren müssen, eine völlig neuformierte Elf wird auf dem Platz stehen. „In dieser Phase, beim Confed Cup, steht eindeutig die Entwicklung im Vordergrund, nicht einzig und allein erfolgreiches Handeln“, sagte Löw zu seinem spannenden Sommer-Experiment.

Sein Handeln wird vom großen Ziel bestimmt. „Den WM-Titel 2018 wieder zu gewinnen, das ist die Vision. Den Confed Cup möglichst erfolgreich zu bestreiten mit Blick auf die Entwicklung der Spieler - das ist die Mission“, verdeutlichte Löw. Die eingeladenen Akteure, besonders die Erstberufenen, gehen die Aufgabe mit Ehrgeiz an. „Ich freue mich riesig“, sagte Hoffenheims Torjäger Wagner: „Confed Cup ist ja nicht so beliebt bei den meisten - für mich ist das ein Riesenturnier.“

Auf gerade einmal 150 Länderspiele kommt Löws 22-Mann-Aufgebot (inklusive Werner). Der Altersschnitt beträgt 24 Jahre. Nur vier Spieler haben im Nationaltrikot schon Tore erzielt. Löw will junge Spieler wie den Schalker Leon Goretzka (22) oder den Leverkusener Julian Brandt (21) in Spielen gegen Topteams wie Südamerikameister Chile mit Bayern-Profi Arturo Vidal „auf das nächste Level“ heben. „Wenn es gelingt, dass uns drei, vier Spieler im nächsten Jahr entscheidend helfen können bei der WM, dann bin ich zufrieden.“

Beim WM-Ernstfall 2018 kann er dann wieder auf seine „Superspieler“ wie Neuer, Boateng, Kroos, Khedira, Özil, Müller oder Hummels setzen. Aber Löw will bis zum angepeilten Confed-Cup-Finale am 2. Juli in St. Petersburg Talente voranbringen, die „auf die Etablierten Druck ausüben“. Nur dann sei in Russland der fünfte WM-Titel drin. „Wir wollen den Hunger wieder wecken, den bedingungslosen Hunger auf Erfolg. Nur dann haben wir im nächsten Jahr die Chance, wieder den Titel zu holen. Das ist mein größtes Ziel“, sagte Löw.

DIE VORAUSSICHTLICHEN AUFSTELLUNGEN:

Dänemark: Rønnow (Brøndby IF/24/4) - Larsen (Austria Wien/26/2), Vestergaard (Borussia Mönchengladbach/24/13), Christensen (Borussia Mönchengladbach/21/11), Durmisi (Betis Sevilla/23/18) - Kvist (FC Kopenhagen/32/69), Eriksen (Tottenham Hotspur/25/67), Delaney (Werder Bremen/25/15) - Braithwaite (FC Toulouse/26/15), Dolberg (Ajax Amsterdam/19/1), Jørgensen (Feyenoord/26/22)

Deutschland: ter Stegen (FC Barcelona/25/9) - Kimmich (Bayern München/22/13), Mustafi (FC Arsenal/25/15), Rüdiger (AS Rom/24/12), Hector (1. FC Köln/27/27) - Can (FC Liverpool/23/8), Goretzka (Schalke 04/22/3) - Brandt (Bayer Leverkusen/21/5), Draxler (Paris Saint-Germain/23/28), Younes (Ajax Amsterdam/23/0) - Wagner (1899 Hoffenheim/29/0)

Schiedsrichter: Michael Oliver (England)