Machtwort vom DFB-Chef Terror-Vorwürfe gegen Katar: Kippt die WM 2022?
DFB-Präsident Grindel meldet sich nach den Vorwürfen gegen WM-Gastgeber Katar zu Wort: Sollten sich Terrorvorwürfe bestätigen, ist Boykott eine Option.
Frankfurt/Main. DFB-Präsident Reinhard Grindel ist besorgt über die jüngste Entwicklung im WM-Gastgeberland Katar und schließt einen Boykott des Turniers 2022 in dem Emirat nicht mehr kategorisch aus.
„Es sind noch fünf Jahre bis zum Anpfiff der WM. In dieser Zeit müssen politische Lösungen vor Boykott-Androhungen den Vorrang haben. Aber eines steht unabhängig davon fest: Grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen“, sagte Grindel in einem auf der Homepage des Deutschen Fußball-Bundes veröffentlichten Interview.
Der DFB-Chef, der auch im Council des Fußball-Weltverbandes FIFA sitzt, reagierte damit auf die diplomatische Krise in der Golfregion. Katars Nachbarländer Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate brachen am Montag wie auch Ägypten die Beziehungen ab und schlossen die Grenzen. Die Länder werfen Katar vor, Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Sie forderten Bürger des Emirats auf, in spätestens 14 Tagen auszureisen, wie der mit saudi-arabischen Geldern finanzierte TV-Kanal Al-Arabija meldete.
Grindel kündigte an, Kontakt mit der Bundesregierung aufnehmen zu wollen. „Die aktuellen, schwerwiegenden Vorwürfe nehmen wir sehr aufmerksam und besorgt zur Kenntnis“, sagte er. Zudem berichtete der international ranghöchste deutsche Fußball-Funktionär von einer gescheiterten Reise nach Katar im Mai. „Ich hätte mir übrigens auch gerne ein persönliches Bild über die Situation vor Ort und auf den Baustellen gemacht und einige kritische Fragen gestellt, aber ein geplanter Besuch direkt im Anschluss an den FIFA-Kongress in Bahrain wurde leider kurzfristig von den Kataris abgesagt“, sagte der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, der der FIFA-Kommission für Good Governance angehört.
Die FIFA hat die Ereignisse noch nicht kommentiert. Man sei „in regelmäßigem Kontakt“ mit dem lokalen Organisationskomitee und weiteren Stellen, die sich um Angelegenheiten in Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft 2022 kümmern, teilte der Weltverband auf Anfrage mit. „Wir äußern uns darüber hinaus bis auf weiteres nicht“, hieß es aus Zürich. Ähnliche Statements hatte die FIFA immer wieder nach Kritik an den Arbeitsbedingungen in Katar abgegeben.
Die übernächste WM ist seit der skandalumwitterten Vergabe im Jahr 2010 umstritten. Korruptionsvorwürfe wurden nie endgültig entkräftet. Besonders die Menschenrechtssituation im Emirat gab immer wieder Anlass zu internationaler Kritik. Erstmals wird ein WM-Turnier im Winter mit dem Finale sechs Tage vor Heiligabend stattfinden, da zum klassischen Sommertermin die Temperaturen in Katar zu hoch sind.
Grindel erneuerte auch seine Kritik an FIFA-Chef Gianni Infantino. „Herr Infantino muss jetzt in vielerlei Hinsicht das Zeichen setzen, dass er vom Reformprozess nicht nur spricht, sondern ihn auch tatsächlich mit Inhalten und Leben füllt“, sagte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, der auch Mitglied des Councils des Weltverbands ist, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Die umstrittene Neubesetzung der Ethikkommission ohne den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert und Chefermittler Cornel Borbely nannte Grindel „unklug und falsch“. Zudem beurteilte der DFB-Chef die Rollenverteilung zwischen Infantino und der neuen FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura als „nicht dem Geist der FIFA-Satzung“ entsprechend.
Schon nach dem jüngsten FIFA-Kongress in Bahrain hatte Grindel das Vorgehen der FIFA-Spitze bei zentralen Personalien beklagt. Infantino hatte sich seinerzeit „überrascht“ von den Aussagen des Deutschen gezeigt. dpa