Analyse Keine Hähnchen in der Truhe: Katar kämpft mit der Krise

Doha (dpa) - In den vergangenen Tagen hat das Telefon in Katar häufiger als sonst geklingelt. Aus der Heimat hätten viele Freunde angerufen und sich nach der Lage erkundigt, erzählt der Mitarbeiter einer deutschen Firma, der seit drei Jahren in der Hauptstadt Doha lebt und lieber ungenannt bleiben möchte.

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Seine Antwort fiel immer gleich aus: „Es geht uns gut. Im täglichen Leben läuft alles wie immer. Business as usual.“

Doch die Frage nach der Lage in Katar ist verständlich. Am Montag brachen die Nachbarländer Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nicht nur alle diplomatischen Kontakte mit dem Golf-Emirat ab, sondern schlossen auch die Grenzen und stellten den Flugverkehr ein. Katarische Maschinen dürfen Saudi-Arabien nicht einmal mehr überfliegen. Flüge nach Europa etwa nehmen jetzt die Route über den Iran.

In den Medien tauchten in den vergangenen Tagen Berichte auf, Kataris seien aus Sorge um die weitere Entwicklung in die Supermärkte gestürmt und hätten bei Hamsterkäufen die Regale leergeräumt. Der Mitarbeiter der deutschen Firma kann diese Meldungen nicht bestätigen. „In den ersten zwei Tagen gab es einige Schlangen in den Supermärkten“, sagt er am Telefon. Aber die Regale seien schnell wieder aufgefüllt worden. „Nur die Truhe mit Tiefkühlhähnchen aus Saudi-Arabien war leer“, erzählt er weiter. Auch Frischmilch habe gefehlt, die ebenfalls im benachbarten Königreich hergestellt wird.

Katar ist zwar wegen seiner riesigen Gasvorräte das reichste Land der Welt; nirgendwo anders ist das Pro-Kopf-Einkommen so hoch wie in dem Golf-Emirat, das gerade einmal halb so groß wie Hessen ist.

Doch wegen seiner geografischen Lage ist Katar auch verwundbar. Die Halbinsel hat einzig mit Saudi-Arabien eine Landgrenze, an der sich nun unzählige Lastwagen mit Gütern stauen. Rund 70 Prozent der Importe kommen laut offiziellen katarischen Zahlen aus Saudi-Arabien und den Emiraten. Bleiben die Grenzen dauerhaft geschlossen, sind Engpässe zu befürchten, weil der komplette Güterfluss auf den Luft- oder Seeweg umgestellt werden muss. Eine logistische Herausforderung.

Die regierungstreuen Medien in Katar wollen von Problemen jedoch nichts wissen. Sie sind ganz auf Linie des Herrscherhauses. „Wir sind alle Katar“, titelte das Blatt „Al-Sharq“ in dieser Woche neben einem Foto von Emir Tamim bin Hamad Al Thani. Auch die anderen Artikel kennen nur eine Botschaft: Die Lage ist unter Kontrolle. Der Chef der Handelskammer erklärte, das Land habe Vorräte für zwölf Monate.

Die Krise ist das Ergebnis einer katarischen Außenpolitik, an der sich die Golfnachbarn seit langem reiben, vor allem das mächtige Saudi-Arabien. Regelmäßig ärgern sich Riads Mächtige etwa über Katars Kontakte zum Iran, die für das Emirat wichtig sind, weil es sich ein riesiges Gasfeld im Golf mit dem schiitischen Nachbarn teilt.

Saudi-Arabien und seine Verbündeten stoßen sich auch an dem von Doha finanzierten Nachrichtenkanal Al-Dschasira, eine einflussreiche Stimme in der arabischen Welt, mit der Katar Einfluss ausübt. So berichtet der Sender wohlwollend über die Muslimbrüder - zum Verdruss der Herrscher in Saudi-Arabien, der VAE und auch Ägypten, die die Islamisten als Bedrohung für ihre eigene Macht sehen und sie deshalb als Terrororganisation eingestuft haben.

Katar selbst versucht in der jetzigen brenzligen Lage, kein Öl ins Feuer zu gießen. Emir Tamim hat sich bislang öffentlich nicht geäußert. Außenminister Mohammed bin Abdulrahman bin Dschasim Al Thani erklärte, sein Land werde keine eskalierenden Schritte unternehmen. Doch von einem Einlenken des Emirats ist bisher auch nichts zu erkennen. Vielmehr warf der Außenminister den anderen Ländern eine auf Lügen basierte Hetzkampagne gegen sein Land vor.

Obwohl sich US-Präsident Donald Trump in der Krise eindeutig auf die Seite Saudi-Arabiens gestellt hat, dürfte Katar vor allem auf den Einfluss der Amerikaner setzen. Katars Außenministerium verbreitete in einer Reihe von Twitternachrichten Aussagen der Außenamtssprecherin in Washington, die sich darum bemühte, Trumps Aussagen gegen Katar wieder einzufangen. Schließlich ist das Emirat ein wichtiger US-Verbündeter, nicht zuletzt wegen der Luftwaffenbasis Al-Udeid, auf der mehr als 10 000 US-Soldaten stationiert sind.

Doch nichts spricht im Moment dafür, dass die Krise schnell beigelegt werden kann. Im Gegenteil. Der Mitarbeiter der deutschen Firma in Doha sagt, er sei angesichts der Entwicklung besorgt. Er wird, wie schon länger geplant, im Laufe dieses Jahres in die Heimat zurückkehren: „Wenn ich Katar verlassen habe, mache ich drei Kreuze.“