Brennelementesteuer Milliardenrechnung im Atom-Geschacher

Karlsruhe (dpa) - In fünfeinhalb Jahren ist Schluss mit der Atomkraft in Deutschland, soviel steht fest. Ums Geld streiten Energiekonzerne und Bundesregierung trotzdem weiter.

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Diesmal geht der Sieg an die Unternehmen - eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch verheißt ihnen Milliarden-Zahlungen (Az. 2 BvL 6/13). In der Gesamtrechnung stehen unter dem Strich aber ganz andere Summen.

Worum ging es in Karlsruhe?

Um die umstrittene Brennelementesteuer. Der Bund kassierte sie von Anfang 2011 bis Ende 2016 von den Kraftwerksbetreibern für neu im Reaktor eingesetztes Uran und Plutonium, je Gramm 145 Euro. Über die sechs Jahre kamen so 6,285 Milliarden Euro zusammen. Das Geld sollte die Staatskasse füllen und in die Sanierung des maroden Atomlagers Asse fließen. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition verlängerte den Kraftwerken zeitgleich die Laufzeiten, das versprach Investitionen.

Wieso sorgte die Steuer für Streit?

2011 kommt mit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima die Kehrtwende in der deutschen Atompolitik. Wenig später sind 8 der bundesweit 17 Kraftwerke vom Netz, der beschleunigte Atomausstieg bis spätestens Ende 2022 ist beschlossene Sache. An der Steuer hält die Bundesregierung damals trotzdem fest - sehr zum Ärger der Konzerne. Reihenweise gehen sie gegen die Steuerbescheide juristisch vor. Das Finanzgericht Hamburg schaltet schließlich das Verfassungsgericht ein, wegen grundsätzlicher Bedenken gegen das Gesetz.

Wie sehen die Verfassungsrichter die Sache?

So kritisch, dass sie am Ende die Reißleine ziehen: Der nun veröffentlichte Beschluss erklärt das Gesetz für unvereinbar mit dem Grundgesetz und rückwirkend für nichtig. Es ist also, als hätte es die Steuer niemals gegeben. Ausschlaggebend sind dabei aber nicht die Nachteile für die Konzerne. Das Problem ist grundlegender: Nach Auffassung des Zweiten Senats hat der Bund eine neue Steuer erfunden, ohne dass ihm das Grundgesetz dafür die Gesetzgebungskompetenz gibt.

Und jetzt?

Die Details sind noch offen, aber das Finanzministerium hat bereits zugesagt, die eingenommenen Steuern in voller Höhe samt Zinsen zurückzuzahlen. Das sei aus dem laufenden Haushalt möglich. Eon hofft auf insgesamt 3,3 Milliarden Euro, RWE fordert inklusive Zinsen 1,9 Milliarden Euro. EnBW hatte 1,44 Milliarden Euro an Steuern gezahlt. Die einst mächtigen Atomkonzerne können den Geldsegen gut gebrauchen. Die Folgen von Fukushima haben ihre Einnahmen und Börsenwerte zusammenschmelzen lassen. Eon, einst Deutschlands wertvollstes Unternehmen, verzeichnete 2016 den höchsten Verlust der Firmengeschichte. Auch RWE musste einen Rekordverlust wegstecken.

Also ein Tag des Triumphs für die Konzerne?

Davon ist wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die Reaktionen der Unternehmen sind nüchtern bis verhalten. Das mag daran liegen, dass erst seit kurzem der Atom-Deal mit der Bundesregierung unter Dach und Fach ist. Hier geht es um die gewaltigen Kosten, die in den kommenden Jahrzehnten für die Entsorgung der atomaren Altlasten entstehen - dagegen sind sechs Milliarden überschaubar. Dabei kommen die Konzerne vergleichsweise gut weg: Sie zahlen die ausgehandelte Summe von 24,4 Milliarden Euro in einen Fonds ein. Wird es durch unvorhersehbare Risiken am Ende sehr viel teurer, sind sie aber außen vor. Kritiker werfen ihnen daher vor, die Allgemeinheit die Zeche zahlen zu lassen.

Könnte das Steuer-Urteil den Kompromiss ins Wanken bringen?

Das erwartet niemand ernsthaft - auch wenn Linke-Chefin Katja Kipping oder der BUND umgehend forderten, die Konzerne die rückerstatteten Milliarden zusätzlich in den Fonds einzahlen zu lassen. Tatsächlich war aber schon in den Verhandlungen klar, dass die Sache vor Gericht schlecht für den Bund ausgehen kann. Für eine Einigung haben die Unternehmen etliche Klagen fallen lassen, die gegen die Atomsteuer allerdings nicht. Anfang Juli sind nun erst einmal die Konzerne mit Zahlen an der Reihe: Dann sind die Überweisungen an den Fonds fällig.