Streitbarer „Krieger“ Vidal in Chile zwischen Held und Sündenbock
La Paz (dpa) - Als sich Frust, Wut und Enttäuschung gelegt hatten, fand Arturo Vidal dann doch zur Vernunft zurück. Ein Rücktritt aus Chiles Nationalteam?
Angesichts der prekären Lage des Südamerika-Meisters von 2015 und 2016 korrigierte der Mittelfeldstar des FC Bayern München seine missverständlichen Aussagen nur 15 Stunden später und schaltete wieder in den Angriffsmodus. „Ich würde mich niemals über die Fans beklagen, sie verdienen meinen ganzen Respekt für die Unterstützung, die ich immer bekommen habe. Wegen ihnen mache ich hier weiter“, schrieb Vidal auf Twitter.
Als Führungsspieler will er Chile nun mit aller Entschlossenheit auf einen der ersten fünf Plätze der Südamerika-Gruppe führen, um das Ticket für die Fußball-WM in Russland im kommenden Sommer zu lösen. Die ersten Vier buchen das direkte Ticket nach Russland, der Fünfte muss in die Ausscheidung gegen den Ozeanien-Vertreter.
Schnell vergessen machen wollen die in den vergangenen Jahren so erfolgreichen Chilenen das bittere 0:3 gegen Paraguay, das Vidal mit einem sehenswerten Flugkopfball-Eigentor eingeleitet hatte. „Mein Eigentor war Pech. Jetzt haben wir das Spiel gegen Bolivien, und es gilt, weiter um die WM-Teilnahme zu kämpfen“, kündigte der 30-Jährige vor der wegweisenden Partie auf über 3600 Metern Höhe in La Paz am Dienstag an.
Drei Spiele vor Ende der Qualifikation steht Chile zwar auf Rang vier, der Vorsprung auf Rang sechs beträgt aber nur zwei Punkte. „Wie auch immer: Wir müssen drei Punkte gegen Bolivien holen“, forderte Vidal. Am letzten Doppelspieltag warten mit Ecuador und Rekord-Weltmeister Brasilien weitere harte Prüfungen, die Chile im schlimmsten Fall das Russland-Ticket kosten könnten.
Dass der Confed-Cup-Finalist in diese prekäre Lage geraten ist, lastet man in Chile auch Führungsspieler Vidal an. „Jetzt dürften diejenigen glücklich sein, die in diesem Land fies drauf sind. Aber keine Sorge, jedes Mal fehlt weniger, bis ich hier weg bin“, wütete der temperamentvolle Profi mit dem Spitznamen „Krieger“ unmittelbar nach der Pleite gegen Paraguay. Nicht nur der sportliche Misserfolg, sondern auch und vor allem das Medienecho über eine angeblich ausgeartete Party in einem Casino-Hotel südlich von Santiago, bei dem einiges zu Bruch gegangen sein soll, hatte Vidal erzürnt.
Berichte über Eskapaden und Verfehlungen sind bei Vidal eher Regel als Ausnahme. Schon vor dem Paraguay-Spiel wehrte er sich gegen die jüngsten Vorwürfe und betonte, er habe die Festlichkeiten zu einer „vernünftigen Zeit“ verlassen.
Vidal, der in seiner Heimat zwischen den Extremen Held und Sündenbock wandelt, bot in der südamerikanischen Medienlandschaft einmal mehr Angriffsfläche. Sein Eigentor und das 0:3 - dann explodierte der temperamentvolle Chilene kurzzeitig in den sozialen Medien. „Wenn man ein Eigentor macht gegen eine Mannschaft, die nichts anderes tut, als sich zu verteidigen, dann ist es sehr schwer“, sagte er nun vor dem Bolivien-Spiel weitaus gemäßigter. Vidal hat den Blick wieder nach vorne gerichtet. Russland statt Rückzug lautet nun die Devise.