Warum Marco Reus seinen Vertrag in Dortmund verlängert — ohne Ausstiegsklausel

Düsseldorf. Das braune Sakko mit der schwarzen Weste zur grauen Hose trug er schon am Vormittag, als Hans-Joachim Watzke mit Michael Zorc und Marco Reus in Dortmund an der Strobelallee zum Schreiber griff.

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Und den Vertrag unterschrieb, der alles verändert in dieser Stadt, die Marco Reus offenbar zu schätzen weiß. Umschalten. Von Abstiegskampf und Frust auf Hoffnung und große Träume.

Ein schwieriger Spagat, den Watzke am Nachmittag beim Spobis-Kongress in Düsseldorf auf seine Art schaffte. Er blieb cool. So cool und ruhig im Timbre, dass ihm niemand vorwerfen kann, über den Hype des Reus-Verbleibs habe der Club an den eigentlichen Problemen vorbei unterschrieben. Gerade zwei Stunden vorher hatte BVB-Marketingleiter Carsten Cramer über die Expansion des BVB nach Singapur berichtet, dann rauschte die Reus-Vertragsverlängerung bis 2019 rein. Viel Zukunft für einen derzeitigen Tabellensechzehnten, der vor einer Woche noch Letzter und schwer depressiv war.

Reus verkündete die frohe Botschaft, wie das nun so üblich ist, per eigenem Twitter-Account. Klicks generieren. Wahrnehmung stärken, das stärkt auch den Marktwert. Schwindelerregend. Acht Millionen Euro soll der 25-Jährige künftig verdienen, Sponsor und der Fünf-Prozent-Anteilseigner Puma soll Gerüchten zufolge noch zwei davon drauflegen per anno. „Um ihn buhlten die besten Clubs der Welt, Marco ist ein Hotspot“, sagte Watzke, der heute sein zehnjähriges Dienstjubiläum zur Kenntnis nimmt. „Er hätte das Doppelte verdienen können“.

Reus findet das eine „Entscheidung fürs Leben“, immerhin hat ihm der BVB auch seine Ausstiegsklausel (für 25 Millionen Euro war der Rotschopf zu haben) abgekauft und verkündet nun stolz, jetzt keinen Spieler mehr mit einer solchen an der Strobelallee zu beherbergen. Nuri Sahins Wechsel zu Real Madrid oder Mario Götzes Abgang zum lange enteilten FC Bayern hatten seinerzeit genug geschmerzt. Götze steht wie Reus bei Spielervermittler Volker Struth und seinem Partner Dirk Hebel von der Kölner Agentur SportsTotal unter Vertrag. Zwei Klienten, zwei Freunde, zwei Wege. Watzke sagte, die Rahmenbedingungen seien krass gewesen und dieses Dortmund vom Winter 2015 anderen Bietern hoffnungslos unterlegen. „Wir können ja nicht mal sagen, welche Liga wir nächstes Jahr spielen“, befand Watzke, holte dramaturgisch Luft und fügte an: „Und dann verlängert so ein Junge.“

Ein Junge, über dessen Motiv sich spekulieren lässt. Heimatliebe, Familie, Eltern, sagt er. Er sei hier noch nicht fertig. Der Club hat kleinlaut zu Reus gehalten, als sich die Welt über dessen gefälschten Führerschein erregte und aus Reus, dem ein Manager attestiert, „eigentlich nur Fußball spielen zu wollen“, ein Monster machte. Der Mann aus Dortmund gilt als schüchtern, bisweilen sogar als ängstlich. Watzke hielt den Draht zu Reus, weil er wusste, dass der „ein Problem hat hier wegzugehen“.

Bingo. Man kann das Glück nennen. Aber Dortmund hat auch viel getan für diesen oft verletzten, aber eben hochtalentierten Nationalspieler, und jetzt darf er mal wieder zurückzahlen, vielleicht sogar, sagt Watzke, „eine Ära prägen wie Uwe Seeler“. Und Dortmund? „Die Champions League ist völlig ausgeschlossen“, sagte Watzke in Düsseldorf, 40 Millionen Euro Umsatz fehlten deshalb in der kommenden Saison bestimmt, 15 Millionen davon weniger Ertrag, weil üppig Prämien auch an die Champions League gekoppelt seien. Selbst in der 2. Liga würde der BVB noch zu den acht bis zehn umsatzstärksten Vereinen der Bundesliga gehören. Aber das „halte ich für extremst unwahrscheinlich“, sagte Watzke. Dann ging er. Und sah zufrieden aus.