Vielschichtiger Konflikt „Weit daneben“: Krawallmacher gegen DFB
Prag (dpa) - Der Fußballabend in Prag wird als dunkles Kapitel in die Geschichte der deutschen Nationalmannschaft eingehen. Dabei schien das Problem mit pöbelnden und gewaltbereiten Zuschauern zumindest rund um das DFB-Team schon eingedämmt zu sein.
„Man muss einfach schauen, dass man sie aus dem Stadion rauskriegt“, sagte Mats Hummels nach dem gewonnenen WM-Qualifikationsspiel in Tschechien über die Krawallmacher, die in der Eden Arena immer wieder mit Schmähgesängen und Beleidigungen für einen Eklat gesorgt hatten. Die Reaktion der Spieler darauf war konsequent.
RÜCKBLICK: Beschämende und sogar noch abscheulichere Auftritte von mitgereisten Hooligans hat es in der Vergangenheit häufig bei Spielen des Nationalteams gegeben. Bei der Weltmeisterschaft 1998 wurde in Lens der französische Gendarm Daniel Nivel von deutschen Schlägern angegriffen und lebensbedrohlich verletzt. Gerade bei Spielen in osteuropäischen Ländern kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und nationalsozialistischen Provokationen. Sprechchöre wie „Fußballmafia DFB“ begleiteten die Auftritte der Nationalelf schon in der Amtszeit des ehemaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder (2001 bis 2006).
KONFLIKT DFB - FANS: Die Fan-Probleme sind inzwischen wesentlich vielschichtiger. Zu den Hooligans kommt die Ultra-Szene, die seit Jahren die ausufernde Kommerzialisierung und die Entfernung des Profifußballs von der Zuschauerbasis anprangert. Die Ultras konnten in vielen Vereinen ihren Einfluss erhöhen. Nach den Ausschreitungen beim Pokalspiel Hansa Rostock gegen Hertha BSC hat DFB-Präsident Reinhard Grindel einen Wechsel in der Verbandspolitik empfohlen: Auf Kollektivstrafen für Fans soll verzichtet werden.
AKTUELLER FALL: Nach den Vorfällen in Prag hält Grindel die kollektive Entscheidung der Nationalmannschaft, nach Spielende auf den Gang zu den deutschen Fans zu verzichten, für richtig. „Wir alle müssen uns ganz klar distanzieren von Krawallmachern, die mit Nazisprüchen und beleidigenden Äußerungen aufgefallen sind“, sagte der DFB-Chef: „Wir werden niemals faschistische, rassistische, beleidigende oder homophobe Schlachtrufe dulden.“ Nationalspieler Hummels tat der Verzicht auf die Verabschiedung nach dem 2:1 leid für die wahren Fans der Nationalmannschaft: „Es war so weit daneben, es stand nicht zur Diskussion, dass man noch hingeht.“
LÖW FÜR STRAFEN: Joachim Löw fordert harte Konsequenzen für die Fan-Chaoten. „Ich bin voller Wut und sehr angefressen über das, was passiert ist. Dass einige sogenannte Fans die Bühne des Fußballs und eines Länderspiels benutzen, um mit ihren oberpeinlichen Auftreten viel Schande über unser Land zu bringen“, sagte der Bundestrainer am Sonntag in Stuttgart.
HETZE GEGEN WERNER: Jung-Nationalspieler Timo Werner ist seit Monaten besonderen verbalen Angriffen ausgesetzt. Auch in Prag wurde er von den rund 200 pöbelnden Fans beleidigt. „Man weiß, was hier in der Nähe liegt, da kann man sich denken, woher das kommt“, sagte der Torschütze in Anspielung auf die Nähe von Dresden, Chemnitz und anderen sächsische Orten, wo Werners Club RB Leipzig von einem Teil der Fanszene besonders angefeindet wird. Eine Schwalbe vor einem Jahr gegen Schalke hat die teilweise Ablehnung des von Red Bull geförderten Clubs in Deutschland eng mit der Person Werner verbunden.
KRITIK: Zu den Vorfällen von Prag kam es auch, weil es die Krawallmacher leicht hatten, an Eintrittskarten zu kommen. Eine tschechische Internetadresse genügte offenbar. Über den Fanclub Nationalmannschaft waren die 1200 offiziellen Tickets für deutsche Anhänger verkauft worden. „Leider hat der tschechische Verband völlig frei Tickets verkauft“, kritisierte DFB-Präsident Grindel und kündigte Schritte innerhalb des europäischen Verbandes UEFA an. Gerade die Kontrolle über den Ticketverkauf für Auswärtsspiele des Nationalteams hatte in letzter Zeit Vorfälle zumindest eingeschränkt.