Afrika trauert: WM für alle fünf Teams beendet
Brasília (dpa) - Die größte Klappe hatte ausgerechnet ein Halb-Afrikaner. „Wir müssen Weltmeister werden“, tönte der in Deutschland aufgewachsene Ghanaer Kevin-Prince Boateng: „Der ganze Kontinent wartet darauf, dass irgendwann mal eine afrikanische Mannschaft Weltmeister wird.“
Der Schalker Profi war schon längst aus dem Kader geschmissen und abgereist, als auch Nigeria und Algerien und damit auch die letzten beiden afrikanischen Teams im Achtelfinale der Fußball-WM ausschieden.
Nigerias Trainer Stephen Keshi schien nach dem 0:2 gegen Frankreich reichlich ratlos, als er die Frage beantworten sollte, warum denn Afrika nicht mehr aus dem Talent seiner Spieler macht und die fünf Starter schon wieder vorzeitig gescheitert sind. „Ich weiß nicht, warum es so früh ist“, sagte Keshi nach seinem letzten Spiel als Trainer Nigerias: „Vielleicht sind wir nicht stark genug, vielleicht sind wir nicht fokussiert genug.“
Letzteres könnte ein wesentlicher Grund sein. Denn das Muster ist oft ähnlich. Prämien-Streitigkeiten, Trainings-Boykotte und irgendwelche hochrangigen Politiker, die sich einmischen oder anreisen - und dann ist früh Schluss. Auch bei den Nigerianern gab es vor der Niederlage im Achtelfinale gegen Frankreich die fast schon traditionellen Begleitumstände.
„Das ist ein Teil der Kultur, dass Minister oder andere Staatsvertreter kommen, mit uns reden oder uns motivieren“, versuchte Keshi zu erklären. Für viele Beobachter wirkt es jedoch befremdlich und wenig hilfreich, wenn - wie bei den Nigerianern - der Sportminister am Tag vor dem Spiel einfliegt und nach Angaben des Coaches „unseren Bonus dabei hatte“.
Algeriens Kapitäns Madjid Bouguerra hatte eine andere Erklärung nach dem Achtelfinal-Aus gegen Deutschland parat: „Bei einer WM herrscht ein sehr hohes Level. Vor allem, wenn du in der nächsten Runde spielst. Teams wie Frankreich oder Deutschland haben eine große Erfahrung. Mehr als wir oder Nigeria.“ Einigen Teams in Afrika würde „die Team-Qualität“ fehlen, wie es Bouguerra ausdrückte: „Sie treten nicht immer als gefestigte Mannschaft auf.“ Namen nannte er nicht, doch es dürfte klar sein, dass er damit Kamerun und Ghana meinte.
Auch Ghanas Coach Kwesi Appiah hatte sichtlich Mühe, als er das Dauerproblem erklären sollte. „Das System in Afrika ist anders als in Europa“, sagte der Coach am Tag, bevor sein Team in der Vorrunde ausschied. In einer spektakulären Aktion waren geschätzte drei Millionen Euro nach Brasilien eingeflogen worden. Fast verzweifelt erläuterte er den fragenden Journalisten: „Wir kommen aus unterschiedlichen Regionen, Sie müssen das verstehen.“
Tatsächlich fürchten die afrikanischen Spieler wohl um ihren Anteil an den Millionen, die die FIFA an alle Teilnehmer ausschüttet. Sie haben Angst, dass das erst nach der WM fließende Geld in den Verbänden ihrer Länder versickert und von korrupten Funktionären in die eigenen Taschen umgeleitet wird. Hilfreich für den Sport sind die Debatten um die Prämien und das Boykottieren von Trainingseinheiten mit Sicherheit nicht.
Boatengs vollmundige Ankündigung vor der WM macht ein zweites Problem deutlich: die chronische Selbstüberschätzung. Die meisten afrikanischen Teams haben große Stars in ihren Reihen wie Didier Drogba bei der Elfenbeinküste oder Samuel Eto'o bei den Kamerunern. Aber alle Mannschaften müssen ihre WM-Kader mit zweitklassigen Spielern auffüllen, die - wie bei den Nigerianern - zum Beispiel in der israelischen Liga ihr Geld verdienen.
Solange das so ist und sich an den Strukturen nichts ändert, werden wohl noch einige afrikanische Trainer wie Keshi nach dem Frankreich-Spiel auf die Schiedsrichter schimpfen und beteuern, wie „schmerzlich“ es sei, auszuscheiden.