Alle Augen auf Klinsmann: „Ganz besonderer Moment“
São Paulo (dpa) - 20 Kamerateams, ein rappelvoller Pressesaal in São Paulo, alle Augen auf Jürgen Klinsmann. Das WM-Duell des früheren Bundestrainers mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist auch in Brasilien ein großes Thema.
Was soll dann erst Klinsmann selbst sagen, der Held der Heim-WM 2006 und jetzige Coach des nächsten deutschen Gegners USA? „Das ist ein ganz besonderer Moment für mich“, meinte er zwei Tage vor dem Spiel am Donnerstag (18.00 Uhr MESZ) in Recife. „So etwas passiert nicht jedes Jahr und vielleicht nur einmal im Leben. Es geht schließlich gegen die Gruppe, die ich selbst mit aufgebaut habe. Das wird sehr emotional, keine Zweifel. Aber ich werde auch versuchen, es zu genießen.“
Der US-Verband hatte eigens noch einmal zu einer Pressekonferenz mit Klinsmann in das WM-Quartier der Amerikaner auf dem Vereinsgelände des FC São Paulo geladen. 15 Minuten in englischer Sprache, 15 Minuten auf Deutsch. Der gebürtige Göppinger ist in beiden Welten gleichermaßen zu Hause, er hat einst die deutsche Nationalelf reformiert und seinen engen Freund Joachim Löw überhaupt erst zum DFB geholt. Mit dem gleichen Elan versucht der 49-Jährige nun, die Amerikaner in die Weltspitze zu führen. Entsprechend hin- und hergerissen war er am Dienstag.
Die Deutschen seien im Vorteil, natürlich, aber seine US-Boys seien heiß. „Wir werden es der deutschen Mannschaft sehr schwer machen“, versprach Klinsmann. „Aber wenn die 90 Minuten rum sind, werden wir ihnen die Daumen drücken, dass sie den Titel holen.“
Theoretisch ist es so, dass beiden Teams schon ein Unentschieden zum Weiterkommen reichen würde. In der Praxis sieht Klinsmann die Dinge aber so: „Ich glaube, dass Deutschland aufgrund der Tordifferenz schon zu 95 Prozent durch ist. Wir müssen noch ein bisschen mehr tun“, sagte er. „Ich glaube, dass die Truppe von Jogi Löw das Zeug hat, bis ganz zum Ende in diesem Turnier mitzuspielen. Wir dagegen haben nicht die Substanz und das Rückgrat, das in Deutschland über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Deswegen ist ein gesunder Respekt da. Die Stärke der Deutschen ist immer ihre Konstanz gewesen. Sie haben eine starke Liga, die zurzeit vielleicht sogar die stärkste der Welt ist. Das ist eine sehr gute Basis.“
Mittlerweile aber hätten die Amerikaner dem auch Einiges entgegenzusetzen. „Wir haben vier Punkte und hatten Portugal am Rande einer Niederlage“, meinte Klinsmann. „Jeder bei uns ist heiß darauf, die K.o.-Phase zu erreichen und den letzten Schritt dafür zu machen. Wir wollen der Welt zeigen, dass es da eine Mannschaft gibt, die sich langsam an die Weltspitze heranarbeitet. Wir wollen ein Signal setzen, dass auch wir auf diesem Niveau mitspielen können.“
Und die Ausgangsposition? Müssen die Gruppenrivalen aus Portugal und Ghana nicht gerade aufgrund der besonderen Beziehung zwischen Klinsmann und den Deutschen befürchten, dass da am Ende in Recife genau das Unentschieden herauskommt, das beide Teams brauchen?
Der ehrgeizige Klinsmann kann solche Fragen überhaupt nicht verstehen. Den gern bemühten Vergleich mit der „Schande von Gijon“, dem deutschen 1:0 gegen Österreich bei der WM 1982, hält er für maßlos überzogen. „Ich finde es fehl am Platz, dass dieses Thema hochkommt und ich zu einem Spiel gefragt werde, das 30 Jahre her ist. Damit haben wir als Amerikaner überhaupt nichts zu tun“, sagte er. Am Donnerstag werde „nichts komisch sein. Wir gehen in dieses Spiel, um zu gewinnen. Wir sind nicht dafür gemacht, einfach nur auf Unentschieden zu spielen.“