Portugal-Superstar Beim Barte des Cristiano - Ronaldos One-Man-Show

Moskau (dpa) - Der nächste Rekord bitte: Cristiano Ronaldo macht die Fußball-WM zu seiner großen Show. Über der Torfreude stand aber das gemeinsame Ziel.

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„Wir sind nur einen Schritt von der nächsten Runde entfernt“, sagte Ronaldo, der nach seinem 1:0-Siegtreffer gegen Marokko nun auch noch Europas erfolgreichster Länderspieltorschütze ist. Doch letztlich bedeutet „wir“ beim Europameister fast allein Ronaldo. Neid der Mitspieler? Keine Spur. Stolz? In jedem Satz über den Kapitän. „Für mich ist es eine Freude und ich bin stolz, ein Teil davon zu sein und mit ihm zu spielen“, sagte Abwehrspieler Cédric Soares.

Sie wissen: Ohne Ronaldo wäre für sie in Russland wenig zu holen. Vier Tore hat Portugal bei der WM bisher erzielt. Besser: Ronaldo hat sie gemacht. „Wenn er eine Gelegenheit hat, dann trifft er normalerweise. Die anderen Stürmer brauchen vielleicht manchmal fünf Chancen, um zu treffen“, sagt Cédric. Im letzten Gruppenspiel am Montag gegen den Iran wird Ronaldo das wieder beweisen wollen.

Er trifft oft, redet aber wenig. Anders als üblich waren auch bei der Pressekonferenz des „Man of the Match“ nach dem Marokko-Spiel keine Fragen erlaubt. Ronaldo schottet sich ab, im WM-Quartier der Portugiesen mit fast täglicher Pressekonferenz hat er auch noch nicht gesprochen. Nach außen dringt nur, was nach außen dringen soll: zum Beispiel die fußballerisch nicht besonders bedeutsamen Informationen um seine neue Kinnbehaarung.

Mit der Ziegenbart-Geste spielt er auf Lionel Messi an, der vor der WM eine GOAT-Kampagne gemacht hatte. GOAT ist zum einen die Abkürzung für „Greatest of all Times“ (Größter aller Zeiten), heißt aber auch Ziege. Es war nur ein Spaß mit Auswahlkollege Ricardo Quaresma bereits vor dem Spanien-Spiel mit Ronaldos Dreierpack zum 3:3, erklärte der Portugiese nun. „Wir waren vorher in der Sauna und ich begann, mich zu rasieren. Ich habe den Bart stehen lassen und sagte: Wenn ich morgen treffe, lasse ich ihn bis zum Ende des Turniers stehen. Und es brachte mir Glück und jetzt nochmal.“

Dass Ronaldo die Grenzen des Fußballs immer weiter ausreizt, hat Gründe. „Er hat ein Ziel, seit er ein Kind ist: der beste Spieler der Welt zu werden“, sagt Carlos Freitas, ehemaliger Sportdirektor von Sporting Lissabon, in einer Dokumentation des Senders Skysports. Und Ronaldo, der mit elf Jahren allein von Madeira in Portugals Hauptstadt zog, arbeitet, er schuftet für sein Ziel. Mehr als andere, die mit ähnlichem Talent ausgestattet waren und sind. Viel mehr.

„Er ist abends noch allein in den Fitnessraum gegangen. Die Sicherheitskräfte mussten ihm sagen: Geh' jetzt mal ins Bett“, erinnert sich Freitas. Ronaldo wollte und will nur eins: von morgens bis abends Fußball spielen und sich immer weiter verbessern. „Er arbeitet jeden Tag“, bestätigt Cédric. „Jeder arbeitet viel, aber er ist immer fokussiert. Egal wo er ist, er arbeitet immer.“

Ronaldo versteht es zudem wie kaum ein anderer, sich seine Kräfte einzuteilen und da zu sein, wenn es darauf ankommt. In der abgelaufenen Saison spielte er 3673 Minuten für Real Madrid, in den vorangegangenen Spielzeiten waren es immer über 4000 - gerade gegen Ende der Saison 2017/18 gab es für den Topstürmer immer wieder Ruhepausen. „Cristiano ist wie ein Portwein“, sagte Nationaltrainer Fernando Santos: „Er weiß seine Fähigkeiten zu verfeinern und in bester Weise zu altern.“

Auch Ronaldos nicht unbeschwerte Kindheit hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Einer, der sich durchsetzen und für seine Ziele viel investieren muss(te). Eine wirkliche Beziehung zu seinem 2005 verstorbenen alkoholkranken Vater hatte Ronaldo nicht. „Es war nicht der Vater, von dem ich geträumt hatte“, sagte Ronaldo einmal. Wie sehr ihn das noch immer schmerzt, kann man nur erahnen. Im September vergangenen Jahres postete Ronaldo ein Foto von sich mit drei seiner mittlerweile vier Kinder neben einem Gemälde, das seinen Vater zeigt. „Du wirst immer bei uns sein“, schrieb Ronaldo dazu.

Die Schwierigkeiten, die Probleme, der Kampf um Akzeptanz — das alles hat Ronaldos Weg zum fünfmaligen Weltfußballer, zum fünfmaligen Champions-League-Gewinner geebnet. Als er in Lissabon ankam, spielte er mit Jungs zusammen, die drei oder vier Jahre älter waren. Einen Tag nach seiner Ankunft hatten sie ihn als Anführer auf dem Platz akzeptiert. Nach Niederlagen ließ man ihn aber besser in Ruhe. Sie haben in der Welt, die längst auch eine des unbegrenzten Luxus und der von Eitelkeit geprägten Selbstinszenierung ist, keinen Platz.