Belgien nach 1:0 über Russland im Achtelfinale
Rio de Janeiro (dpa) - Belgiens Coach Marc Wilmots sprang nach dem Duselsieg erleichtert in die Luft, Matchwinner Divock Origi schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf.
Durch das wenig überzeugende 1:0 (0:0) über Russland quälte sich der Mitfavorit ins WM-Achtelfinale, wo er auf die deutsche Mannschaft treffen könnte.
Joker Origi erlöste die „Roten Teufel“ in der 88. Minute nach einer über lange Strecken enttäuschenden Vorstellung. „Es war nicht leicht, aber wir haben nie aufgegeben“, sagte Wilmots, der wie beim 2:1 zum WM-Start gegen Algerien ein glückliches Händchen bei seinen Personalentscheidungen bewies und erneut den Sieg einwechselte. Dadurch führen die Belgier (6 Punkte) ihre Gruppe vor Algerien (3), Russland und Südkorea (je 1) an. Die Asiaten unterlegen den Algeriern in einem torreichen Match mit 2:4 (0:3).
Vor den Augen des belgischen Königs Philippe und 73 819 Zuschauern in der Endspielarena Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro reichten den Belgiern knappe zehn Minuten Powerfußball zum Weiterkommen. Russland, immerhin Gastgeber der nächsten WM, droht dagegen das Vorrunden-Aus.
Der Münchner Schiedsrichter Felix Brych bot bei seinem zweiten WM-Auftritt eine gute Leistung. Bei einem Foul des Belgiers Toby Alderweireld an Maxim Kannunikow im Strafraum (26.) blieb seine Pfeife still. Nicht einmal die TV-Bilder gaben sofort Aufschluss.
Der 19 Jahre junge Origi vom französischen Erstligisten OSC Lille konnte sein Glück auch Minuten nach Abpfiff nicht fassen. „Dieses Tor werde ich mein Leben lang nicht vergessen“, stammelte der Stürmer nach dem dritten Joker-Tor der Belgier. Wilmots atmete hinterher auf und gab seinen Akteuren sogar Feiererlaubnis: „Jetzt gibt's eine kleine Party, aber dann geht's sofort zurück an die Arbeit.“ Eine deutliche Steigerung für die K.o.-Runde ist auch dringend nötig. Wilmots' russischer Kollege Fabio Capello haderte dagegen mit dem Schicksal: „Das ist Fußball. Das Ergebnis ist nicht fair. Wir haben sehr gut gespielt, ich bin vor allem für meine Spieler enttäuscht.“
Wilmots hatte die Partie zu einem „Sechs-Punkte-Spiel“ erklärt, und dementsprechend engagiert ging sein Team die Aufgabe auch an. Der Titelkandidat wollte sofort die Initiative übernehmen. Die gegen die Nordafrikaner erst eingewechselten Torschützen Marouane Fellaini und Dries Mertens standen diesmal in der Startelf. Vor allem der agile Mertens vom SSC Neapel sorgte über die rechte Seite für mächtig Schwung und hatte bei zwei gefährlichen Schüssen (20./22.) auch die besten Chancen seines Teams vor der Pause. Darüber hinaus lief bei den hochgelobten Belgiern nach ordentlichem Beginn aber nicht viel zusammen. Chelseas Eden Hazard blieb auf der linken Seite lange blass, Evertons Angreifer Romelu Lukaku enttäuschte völlig.
Die Russen, beim enttäuschenden 1:1 zu Turnierbeginn gegen Südkorea noch überraschend nervös, präsentierten sich wesentlich ruhiger und taktisch disziplinierter. Capellos Team gab Belgien wenig Raum zur Entfaltung, mehr als ein paar eigene Zufallskonter sprangen bei der Safety First-Taktik aber nicht heraus. Immerhin: Alexander Kokorin (44.) hatte mit einem Kopfball aus acht Metern frei vor Belgiens Keeper Thibaut Courtois die Top-Chance der ersten Hälfte.
Wo war der Esprit der Belgier, wo der Tempofußball, mit dem die eher schwerfällige Abwehrreihe der Russen in ernsthafte Verlegenheit hätte gebracht werden können? So erlebte Russlands Abwehrstratege Sergej Ignaschewitsch in seinem 100. Länderspiel lange einen relativ ruhigen Nachmittag. Immer wieder forderte Wilmots seine Akteure zu mehr Dringlichkeit auf - fast vergeblich. Die Russen wurden mutiger, aber nicht gefährlicher. Die geduldigen Fans quittierten die Langeweile nach einer guten Stunde mit einem gellenden Pfeifkonzert - und wurden mit einer zumindest packenden Schlussphase noch entschädigt. Nach einem Hazard-Freistoß an den Pfosten (84.) setzte Origi mit dem goldenen Treffer schließlich die Schlusspointe.
„Es war nicht einfach. Wir sind froh, dass wir dieses Tor noch machen konnten“, erklärte Belgiens Abwehr-Routinier Daniel van Buyten. „Unsere Intensität war besser als gegen Algerien. Von der Power her wachsen wir von Spiel zu Spiel.“ Überzeugend war es aber nicht.