Nicht für WM nominiert Ben-Hatiras Flucht aus Tunesien: „Hatte keine Kraft mehr“

Tunis (dpa) - Am Ende ging alles ganz schnell. Änis Ben-Hatira erfuhr von seiner Nicht-Nominierung für das WM-Team Tunesiens und packte seine Koffer. Weniger als 48 Stunden später war er weg, zurück in Berlin, vereinslos und auf der Suche nach einer neuen Chance.

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„Die Zeit in Tunesien hat sich leider sehr, sehr negativ entwickelt“, sagte der 29 Jahre alte Deutsch-Tunesier in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er meint vor allem das Ende. Mit Espérance Tunis einigte er sich auf eine schnelle Vertragsauflösung, das Kapitel Comeback im Heimatland hatte sich schnell wieder erledigt.

In dem 29-köpfigen Aufgebot, das bei der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) zunächst gegen Belgien, England und Panama bestehen soll, tauchten so einige Lokalmatadore aus der heimischen Liga auf, nicht aber Ben-Hatira. „Dass ich nicht nominiert wurde, hatte andere Gründe. Auf keinen Fall waren es sportliche Gründe, dass ich nicht für die WM nominiert wurde. Ich wünschte, es wäre so“, befand der frühere Bundesliga-Profi. Und fügte an: „Das ganze Land ist schockiert. Das ganze Land war froh und stolz, dass es einen Spieler wie mich in die Liga bekommen hat.“

Für Ben-Hatira war klar: Mit einem Wechsel in die heimische Liga kann er wieder auf sich aufmerksam machen und doch noch eine WM spielen. „Ich bin sofort nach Hause geflogen. Ich hatte keine Kraft mehr, mich überhaupt damit auseinanderzusetzen“, berichtete er, der ohnehin nach der Spielzeit und der WM eine Veränderung angestrebt hatte. Zurück in Berlin hofft der Mittelfeldspieler auf eine weitere Gelegenheit in Deutschland. „Mir geht es nicht um das Sportliche. Es geht um eine faire Chance, ich denke, das habe ich auch verdient“, kündigte er an. Zurzeit hält er sich in der deutschen Hauptstadt fit.

Die Chance auf eine Weltmeisterschaft wird sich für den Profi erledigt haben, nachdem der ehemalige Bundesliga-Profi und jetzige Nationaltrainer Nabil Maaloul auf ihn verzichtete. „Die Enttäuschung ist riesig. Ich habe die Quali mitgespielt, ich habe einen großen Namen auch in Tunesien. Die Sehnsucht war stark, dass ich wieder zurückkehre“, sagte Ben-Hatira.

Der gebürtige Berliner kickte lange Jahre in Deutschland, erst für den Hamburger SV, dann auch für Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98. Mit der U21 des DFB wurde er 2009 Europameister, bevor er sich entschied, doch für Tunesien zu spielen.

Weil er mit dem Verein Ansaar International zusammenarbeitete, der von Verfassungsschützern als extremistisch-salafistisch eingestuft wurde, geriet Ben-Hatira in die Kritik. Darmstadt trennte sich von dem Profi. „Der SV 98 beurteilt Ben-Hatiras privates humanitäres Hilfsengagement wegen der Organisation, der er sich dabei bedient, als falsch“, sagte Vereinspräsident Rüdiger Fritsch im Januar 2017: „Nach Analyse der Gesamtsituation macht eine weitere Zusammenarbeit für beide Seiten keinen Sinn mehr.“ Ben-Hatira verteidigte sich und sein ausgeprägtes soziales Engagement trotzdem weiter.

Wie es mit dem Deutsch-Tunesier weitergeht, ist vollkommen offen. Der Mittelfeldspieler bringt fußballerische Qualitäten mit, hat Tempo, Technik und Potenzial. An seinen sportlichen Voraussetzungen wird ein weiteres Engagement nicht scheitern. Eher schon an seiner Vergangenheit. Ben-Hatira ist ein offener und ehrlicher Typ, er spricht aus, was er denkt. Seine direkte und sehr selbstbewusste Art kommt allerdings nicht überall gut an. Clubs in der Bundesliga werden zweimal überlegen, bevor sie sich Ben-Hatira ins Team holen.