Der Unvollendete: Messi scheitert schon wieder
Rio de Janeiro (dpa) - Den „Goldenen Ball“ hätte Lionel Messi am liebsten in den nächsten Mülleimer gepfeffert. Mit leerem Blick nahm Argentiniens Superstar nach der bitteren Final-Niederlage gegen Deutschland die Auszeichnung für den besten WM-Spieler entgegen.
„In solchen Momenten interessiert mich dieser Preis überhaupt nicht“, sagte Messi später, als sein Blick immer noch genauso leer war und zum Boden ging. „Ich wollte nur den Pokal hochhalten.“
Das will der für viele beste Fußballer der Welt schon, seit er als kleines Kind auf den staubigen Bolzplätzen von Rosario kickte. „Ich würde alle meine persönlichen Rekorde hergeben, um Weltmeister zu werden“, sagte Messi schon vor dem Turnier.
Am Sonntagabend platzte dieser Traum im legendären Maracanã dann bereits zum dritten Mal. Viertelfinal-Aus 2006, Viertelfinal-Aus 2010 und jetzt eine Endspiel-Niederlage durch ein Gegentor in der 113. Minute: Der abseits einer WM mit Abstand erfolgreichste Spieler dieser Zeit (dreimal Champions-League-Sieger, viermal Weltfußballer, fünfmal spanischer Meister) bleibt auf dem Weg zum höchsten Gipfel der Fußball-Welt immer an der deutschen Mannschaft hängen. „Es tut weh, auf diese Art zu verlieren“, sagte er. „Ich glaube, wir hätten mehr verdient gehabt, wir hatten die Chancen dazu.“
So aber droht eine ansonsten mit Titeln nur so gespickte Karriere wie bei Johan Cruyff oder dem während dieser WM verstorbenen Alfredo di Stefano unvollendet zu bleiben. Und Messi ganz nebenbei auf ewig im Schatten des Nationalheiligen Diego Maradona zu stehen. Auch wenn Argentiniens Trainer Alejandro Sabella nach dem Finale sagte: „Messi steht schon seit langer, langer Zeit im Pantheon der größten Fußballer der Geschichte. Ob er den WM-Titel nun gewinnt oder nicht.“
Dass Messi und seine Argentinier das 2018 bei der nächsten Endrunde in Russland schaffen, ist schwer vorstellbar. Der Stürmerstar selbst wäre dann mit 31 Jahren zwar immer noch jung genug für den großen Triumph. Aber einige wichtige Nebenleute vielleicht nicht. Der heimliche Kapitän Javier Mascherano ist bereits 30 Jahre alt, der frühere Bayern-Verteidiger Martin Demichelis sogar 33. „Das war unsere große Chance heute. Das ist ein Schmerz für's ganze Leben“, meinte Mascherano. „Es wird sehr schwierig sein, ein anderes Turnier zu finden, wo alles wieder so gut läuft, wie es hier gelaufen ist.“
Denn neue Messis oder di Marias gibt es in Argentinien zurzeit nicht. Für die vergangene U20-WM konnte sich der Rekord-Weltmeister der Junioren nicht einmal qualifizieren. Außerdem deutet alles auf den Abschied von Nationaltrainer Alejandro Sabella hin, der das Spiel seiner Mannschaft mehr als alle Vorgänger allein auf Messi zuschnitt.
Der 59-Jährige sagte am Sonntag zwar: „Ich habe heute nichts zum Thema Zukunft zu sagen. Die Zukunft heißt für mich im Moment, mit meinen Spielern zusammen zu sein, mit meinem Stab, mit meiner Familie natürlich und mit dem Verband zu sprechen.“ Aber es war immerhin Sabellas Berater, der zuletzt gegenüber mehreren Medien die Rücktrittspläne seines Klienten ausplauderte. Als Nachfolger sind Diego Simeone sowie Gerardo Martino im Gespräch, mit dem Messi in der vergangen Saison beim FC Barcelona zusammenarbeitete.
Bevor es um die Klärung der Trainerfrage geht, müssen die Argentinier aber erst einmal den Schock des späten Götze-Tores verdauen. Bei Ausschreitungen nach dem Spiel wurden in Buenos Aires dutzende Menschen verletzt, darunter auch Polizisten. „Uns wurde die Hoffnung gestohlen - ein nationaler Schlag“, schrieb die Sportzeitung „Olé“. Die Kollegen von „Clarín“ meinten immerhin: „Argentinien ging ohne Pokal - aber mit stolzgeschwellter Brust und erhobenem Kopf.“
Ähnlich äußerte sich auch Sabella („Ich bin stolz auf meine Mannschaft.“), der bei der Würdigung seines Teams besonders Messi hervorhob. „Ich denke, er hat den Goldenen Ball verdient. Er hatte einen großen Anteil daran, dass wir so weit gekommen sind“, sagte der Coach. Bei Messi selbst kam so ein Lob an diesem Abend nicht mehr an. Er hatte - wenn überhaupt - noch etwas Anderes im Ohr. „Pelé hat mehr WM-Titel geholt als ihr“, sangen Hunderte brasilianischer Fans, als die Argentinier nach dem Spiel enttäuscht auf dem Rasen standen. Für Messi machte das die Demütigung perfekt.