Eden Hazard: Ein Belgier zwischen Genie und Wahnsinn
Auf Eden Hazard ruhen die Hoffnungen des WM-Geheimfavoriten Belgien — doch der Kopf des Teams ist unberechenbar.
Belo Horizonte. Es dürfte nicht mehr lange dauern, dann fällt die Sechs-Millionen-Marke. Noch wenige Tausende fehlen, dann hat Eden Hazard ungefähr halb so viele Gefolgsleute und „Freunde“ übers soziale Netzwerk gesammelt wie Belgien Einwohner hat. Obgleich sich der Mitteilungsdrang des Superstars der belgischen Nationalmannschaft weitgehend darin erschöpft, Werbebotschaften seines amerikanischen Ausrüsters einzustellen.
Noch steht der Edeltechniker hier zwar nicht ganz auf einer Stufe mit Ikonen wie Cristiano Ronaldo, Zlatan Ibrahimovic, Andrés Iniesta oder Neymar, aber das auch Hazard längst im Schaufenster der globalen Sportartikelindustrie steht, sagt viel über seinen rapide gestiegenen Stellenwert.
Der 23-Jährige ist das Gesicht der hochbegabtesten Auswahl, die Flamen und Wallonen seit drei Jahrzehnten wieder bei einem Turnier ins Rennen geschickt haben. Aber noch hat diese Generation nichts erreicht, außer sich sehenswert für die WM zu qualifizieren. Nationaltrainer Marc Wilmots, der anerkannte Erziehungsberechtigte dieser Rasselbande, stapelt denn auch vor dem Auftakt in Belo Horizonte gegen Algerien mal lieber tief.
„Wir haben eine sehr junge Mannschaft ohne Turniererfahrung“, sagt der 45-Jährige. Gleichwohl flößt allein Hazard dem heutigen Gegner so viel Respekt ein, dass der algerische Co-Trainer Nourredine Kourichi glaubt: „Wir haben keinen Plan, einen Spieler dieser Qualität zu stoppen.“
Der mit drei Brüdern in der einst vom Bergbau geprägten Kleinstadt La Louvière in der Provinz Hennegau aufgewachsene Kicker wurde früh als „das Juwel des belgischen Fußballs“ (sein Jugendtrainer Stephane Adams) bezeichnet, musste sich indes beim FC Chelsea den Vorwurf gefallen lassen, „mental nicht bereit zu sein, nach hinten zu schauen“ (sein Vereinstrainer José Mourinho). Der Zwist entstand nach dem Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale gegen Atletico Madrid, als die Kreativkraft es gewagt hatte, die Destruktivtaktik zu kritisieren. Mourinhos Rüffel folgte prompt.
Auch Wilmots mischt bei seiner Nummer zehn Lob und Tadel. Den Streicheleinheiten („Ich vergleiche ihn ein bisschen mit Zinedine Zidane“) folgen regelmäßige Belehrungen. Unbestritten ist bislang nur die Befähigung. Tempo, Technik und Torgefahr machen ihn zur Ausnahmeerscheinung.
Gelernt hat Hazard vieles in der Jugendabteilung des OSC Lille, in die er als 14-Jähriger wechselte. Mit 16 feierte er bereits sein Erstligadebüt, mit 17 gelang ihm sein erstes Tor. Spätestens als das Talent den Klub 2011 zum Gewinn des französischen Doubles führte, zeichnete sich sein Wechsel ab. Vor zwei Jahren zahlte dann Chelsea stolze 40 Millionen Euro Ablöse. Für den beidfüßigen Hazard, der instinktiv die Lücken der Abwehrreihen erspäht, waren zuletzt schwindelerregende Summen von 75 Millionen Euro im Umlauf. So soll Paris St. Germain angeblich ein unmoralisches Angebot vorgelegt haben. „Ich bleibe bei Chelsea“, beteuerte Hazard allerdings vor der Abreise nach Brasilien.
An der Stamford Bridge wollen sie ihm künftig nicht nur umgerechnet eine Viertelmillion Euro pro Woche zahlen, sondern dazu auch das Trikot mit der Nummer zehn geben. Auf der Insel hat der 45-fache Nationalspieler auch andere Zeiten erlebt. Legendär jene Episode aus dem Januar 2013, als der 1,72-Meter-Mann im FA-Cup für Aufsehen sorgte, weil er gegen Swansea einen Balljungen trat, der das Spielgerät nicht herausgeben wollte. Das Opfer wälzte sich am Boden, der Übeltäter sah die Rote Karte.
Doch später stellte sich heraus, dass die Spielverzögerung auf den 17-jährigen Sohn des Klubbesitzers zurückging, der via Twitter solch ein Zeitspiel angekündigt hatte. Dumm gelaufen für den Ballbuben. Gleichwohl bleibt es eine Gratwanderung für den jungen Familienvater, dessen Freundin Natasha vor dreieinhalb Jahren Sohn Yanis zur Welt brachte.
Bei „Talksport“ haben sie Hazard „the good, the bad and the ugly“ genannt — der Gute, der Böse und der Hässliche. Fettnäpfchen lauern hinter jeder Ecke. Als Hazard 2011 nach einer Auswechslung bei einem EM-Qualifikationspiels verärgert das Stadion verließ, um lieber an einer Imbissbude einen Hamburger zu verspeisen, wurde er fotografiert. Die Affäre nannte sich „Burgergate“ und nahm ihren Anfang in den sozialen Netzwerken. Für die Stars von heute Fluch und Segen zugleich.