Eventjunkie oder Korso-König? Eine Typologie der WM-Fans

Berlin (dpa) - Eingefleischter Anhänger oder trötender Trittbrettfahrer? Fachsimpler oder Fußball-Laie?

Für vier Wochen begegnen sich bald wieder die unterschiedlichsten Fan-Typen vor kleinen Bildschirmen und großen Leinwänden. Eins haben trotzdem alle gemein: An der WM kommt keiner vorbei. Eine - nicht ganz ernst gemeinte - Typologie der WM-Fans:

DER FACHSIMPLER: Weiß einfach alles, und vor allem alles besser. Schon bei der Mannschaftsaufstellung schwadroniert er über falsche Neuner und Flügelzangen im Sturm. Nennt seinen Sohn manchmal aus Versehen „Viererkette“. Kann die Torschützenkönige der letzten 28 Jahre aufzählen. Das will trotzdem keiner hören.

DER EVENTJUNKIE: Hat mit Fußball rein gar nichts am Hut. Betrachtet die WM als internationales Volksfest - ohne Riesenrad, dafür mit sportlichem Begleitprogramm. Ereifert sich während des Spiels vor allem über Jogis Anzug, Merkels Jubelorgien und das Wetter in Brasilien. Häufig weiblichen Geschlechts.

DER SCHREIHALS: Egal ob in der Kneipe oder auf dem Marktplatz, der Schreihals setzt sich akustisch stets von seiner Umgebung ab. Wie ein Papagei krächzt er altbekannte Phrasen über Straßen mit vielen Bäumen und Rinderzüchter in die Menge. Ist beim Finale Gott sei Dank so heiser, dass er nur noch dezent klatschen kann.

DER SOCIAL-MEDIA-GURU: Starrt mehr auf sein Smartphone als auf den Spielverlauf. Kommentiert jeden Einwurf notorisch auf allen digitalen Kanälen. Schießt schwarz-rot-goldene Selfies im Sekundentakt. Ihm ist recht egal, welche Mannschaft gerade gewinnt - Hauptsache er twittert als Erster über das Tor.

DER ZOCKER: Nervt die Kollegen schon seit Wochen wegen des Tippspiels fürs Büro. Fiebert doppelt mit, weil es nicht nur um die Heimatehre, sondern auch um diese vertrackte Online-Wettstrategie mit idiotensicherer 17:1-Quote geht. Braucht vier Jahre, um seinen finanziellen Verlust wieder auszubügeln.

DER SOUVENIRJÄGER: Schal, Schminke, Stoffmaskottchen - der Souvenirjäger behängt sich wie ein Weihnachtsbaum mit Fan-Artikeln, lackiert den Kinderwagen in Nationalfarben und muss stets die größte Fahne schwenken. Nach der WM bringt die Ehefrau/der Ehemann/die Mutter den ganzen Klimbim klammheimlich zum Sperrmüll - vier Jahre später kurbelt der Souvenirjäger die Wirtschaft aufs Neue an.

DER ZUHAUSE-GUCKER: Mag keine Menschenmengen, schon gar nicht, wenn sie laut sind und beim Public Viewing schaumfreies Bier aus Plastikbechern trinken. Genießt die Spiele deshalb vor seinem neuen HD-Flachbildschirm. Nervt dafür seine Nachbarn mit der Vuvuzela.

DER KORSO-KÖNIG: Vor jedem Spiel wird der Mittelklassewagen nochmal per Hand poliert. Der Korso-König liebt es, mit aufgedrehter Schlagermusik und schwarz-rot-goldener Unterbodenbeleuchtung durch die Stadt zu düsen. Kann gleichzeitig mit der linken Hand die Fahne aus dem Fenster halten und mit der rechten euphorisch hupen - weil der betrunkene Beifahrer lenkt.

DER NÖRGLER: Schlägt sich bereits beim Abstoß der Gegner vor Schreck die Hände vors Gesicht. Meckert auch bei fünf Toren Vorsprung noch an der unscheinbaren Verteidigung herum. Ist immer wieder erstaunt, wie weit die Deutschen kommen. Hatte meist noch nie einen Ball in der Hand, geschweige denn am Fuß.

DER ROUTINIER: Fußball ist kein Schaltjahr-Event, sondern Lebensinhalt und Religion. Die WM ist eine willkommene Abwechslung bis zum Anstoß der Zweitliga-Saison. Sucht beim Public Viewing vergeblich nach der Nord-/Süd-/Ost- oder Westkurve. Fühlt sich in seiner Männerdomäne von Eventjunkies und Frauen bedroht.

DER FUSSBALL-VERWEIGERER: Hat noch nie verstanden, wieso 22 Männer einem Ball hinterherrennen und die Welt gebannt dabei zuschaut. „Ist doch nur ein Spiel!“, lautet seine verblüffte Devise. Spielt lieber Golf oder „Mensch, ärgere dich nicht“ am Küchentisch. Ärgert sich trotzdem irgendwie vier Wochen lang.

DER KRANKMACHER: Tüftelt mit Löw'scher Raffinesse an Strategien, um sich möglichst zu jedem Spiel vor der Arbeit zu drücken. Je weiter die deutsche Elf kommt, desto schlimmer wird der „Magen-Darm-Virus“. Für das Finale riskiert er schon mal eine Abmahnung.

DER NERVTÖTENDE LAIE: „Was ist denn ein Freistoß?“, „Wieso tauschen die jetzt die Seiten?“, „Sind wir die Weißen oder die Blauen?“: Ganz ungeniert glänzt der Laie über 90 Minuten lang mit purer Ahnungslosigkeit - und vergisst das mühsam erlernte Allgemeinwissen bis zum nächsten Spiel sowieso wieder.

DER KOMMERZ-GEGNER: Verabscheut überbezahlte Spieler, Sponsorenmillionen und überhaupt die ganze FIFA-Industrie. Boykottiert Spiele und sammelt stattdessen Unterschriften gegen Großveranstaltungen. Schaut das Finale heimlich im Keller.