„Garçom“ Kroos serviert Bälle - WM als Schaufenster
Santo André (dpa) - Kellner der Mannschaft? Da musste Toni Kroos schmunzeln.
„Wenn man das aufs Fußballerische so ein bisschen übertragen will, kann man das vielleicht so sehen. Ich setze meine Mitspieler gerne ein und lasse sie gerne gut aussehen“, sagte der Mittelfeldregisseur auf die Frage eines Brasilianers, ob er der „Garçom“ (portugiesisch für Kellner) im Team sei. „Wenn wir abends zusammensitzen, mache ich dagegen nicht so gerne den Kellner. Da nehme ich lieber die Getränke entgegen.“
Gut vier Jahre nach seinem ersten Länderspiel ist der 45-malige Auswahlspieler bei Bundestrainer Joachim Löw in der Rolle, in der er sich schon seit Jahren gerne sieht. Kroos lenkte gegen Portugal das Spiel, trat gereift auf, zeigte viel Disziplin und auch physische Präsenz. „Hauptsache ich darf irgendwo im Zentrum spielen, dann ist alles gut“, erklärte der 24-Jährige.
Im Schatten des dreimaligen Torschützen Thomas Müller spulte Kroos gegen die Portugiesen ein herausragendes Programm ab, lief mit 11,7 Kilometern mehr als jeder andere im Team. „Das mit der Laufleistung hat mich am meisten gewundert, das habe ich noch nicht so oft gehabt“, gestand Kroos. Allerdings habe er auch Glück gehabt, dass der lauffreudige Müller etwas früher raus sei, so der Bayern-Profi.
88 Prozent seiner Pässe fanden im ersten Gruppenspiel den Mitspieler. Mit seinen Seitenwechseln sorgte der zweifache Torvorbereiter Kroos für Lücken, die Müller & Co. für ihre Offensivaktionen nutzten. „Toni ist einfach ein Spieler, der sehr ballsicher ist, der mit Pässen das Spiel öffnen kann. Er gibt auch gute Vorlagen“, führte Löws Assistent Hansi Flick auf. „Was er im Moment nicht macht, ist das Toreschießen. Das kann er verbessern, um in der Öffentlichkeit noch besser wahrgenommen zu werden.“ Fünf DFB-Tore stehen in der Kroos-Statistik.
Zwar betonte Kroos in Santo André, dass ihm nur die Bewertung durch das „engste Umfeld“ und „die Trainer“ wichtig sei. Aber so ganz schmecken ihm kritische Einschätzungen nicht. Als er vor dem Ghana-Spiel gefragt wurde, warum er jetzt besser auftrete als in anderen großen Spielen, antwortete er etwas trotzig. „Es ist nicht so lange her, da war ein Pokalfinale, wo es ähnlich lief. Und viele Champions-League-Spiele“, ergänzte der 24-Jährige zurecht. Aber: Große Auftritte bei Turnieren waren von dem in Südafrika 2010 viermal eingewechselten Kroos bis zum Portugal-Match nicht in Erinnerung.
Vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft musste sich der versierte Techniker in der Vorrunde zunächst auch mit Einwechslungen begnügen, ehe Löw ihn im Halbfinale in eine unglückliche Sonderrolle beorderte. Als Startelf-Spieler sollte er die Zentrale gegen Andrea Pirlo und Daniele De Rossi stärken - das ging krachend daneben.
Die EURO-Rolle von Kroos ist längst abgehakt. „Toni hat eine enorme Entwicklung gemacht. Er spielt schon die ganze Saison auf einem sehr hohen Niveau“, betonte Flick. Ein Beleg: Pep Guardiola brachte den vielseitigen Mittelfeldmann in elf von zwölf Champions-League-Spielen in der Startformation. Nur beim Rückspiel gegen den FC Arsenal wurde Kroos nach dem Auswärtssieg im Hinspiel lediglich eingewechselt.
Als feste Größe ist er auch bei Löw gesetzt - das viele Lob nach dem beeindruckenden Auftaktspiel muss der Club-Weltmeister jetzt aber bestätigen. „Das ist ein sehr guter Start gewesen, aber im Endeffekt auch nicht mehr“, meinte Kroos zurückhaltend. „Wir sind alle mit dem Ziel hier, Weltmeister zu werden. Dazu brauchen wir diese Leistung - wenn möglich in sieben Spielen.“
Dann könnte auch noch einmal Bewegung in die Zukunftsplanung kommen. Mit dem FC Bayern, an den er als einziger Stammspieler nur noch bis 2015 gebunden ist, konnte er sich bislang nicht über eine Ausdehnung des Kontraktes einigen. Spielt Kroos bei der WM so weiter, dürfte es bald reihenweise Angebote geben - vielleicht auch eine aufgebesserte Offerte der Münchner.